Ich wache in meinem Motelbett auf und denke noch einmal an den Zero-Day gestern zurück. Rafting? Und noch dazu umsonst? Ich bin immer noch genauso ungläubig wie begeistert. Und versuche, den Tag heute organisiert zu bekommen. MJ hatte mir angeboten, dass ich bei ihr Frühstück bekommen könnte. Ich gehe hin, aber sie ist nicht da – jemand musste abgeholt werden, sie ist mit dem Auto unterwegs. Poppins ist da, aber sie hat schon gefrühstückt. Chaps ist bereits am Vorabend weitergegangen, und auch Hulk und Musher haben sich bereits auf den Weg gemacht. Also gehe ich in den Ort und frühstücke bei Bellamarie. Das ist eine Mischung aus einem Cafe, einer Fotoausstellung, und einem Kunsthandwerk-und-Schnickschnack-Laden. Ich frage mich, wer hier wohl einkauft, der Ort sieht nicht so aus, als ob es hier viele Kunden für so einen Laden gäbe – als zwei Mütter hereinkommen, Cappuccino bestellen, und sich laut und ausführlich über ihre Kinder unterhalten. Ich bestelle mir auch einen Cappuccino, dazu etwas vegetarisches Frühstück, setze mich schweigend an den Nachbartisch und lasse die Umgebung auf mich wirken.
Nach dem Frühstück checke ich aus meinem Hotel aus, kaufe noch Verpflegung ein, und gehe wieder zu MJ. Sie ist immer noch nicht da, aber Poppins bietet mir an, mich zurück zum Trail zu fahren. Das nehme ich gerne an, und so geht meine Wanderung um viertel nach zwölf weiter. Ich komme an einem Schild vorbei:

Über 300 Meilen sind geschafft, noch 499 Meilen bis Utah. Das sind 480 Kilometer – etwas verwundert reibe ich mir die Augen. Mit jedem einzelnen Schritt komme ich nicht besonders weit, und keiner meiner Schritte erscheint mir irgendwie bemerkenswert – aber wenn ein Schritt zum anderen kommt, und dann noch einer und noch einer, dann werden aus vielen, überschaubaren, kleinen Anstrengungen plötzlich ziemlich lange Strecken!
Der Blick zurück zeigt noch einmal den Berg Picket Post:

Dann geht es weiter durch die Wüste.

Es gibt Saguaro-Kakteen auf blühenden Hängen, blühende kleine Kakteen, und später auch einen Bach für Frischwasser. Ich treffe ein paar andere Wanderer beim Pause machen, Hulk ist dabei, Chandler und Samurai, aber zunächst bleibe ich alleine. Bis ich auf Musher treffe. Ihr Trailname ist ihre Berufsbezeichnung: Musher bedeutet Schlittenhundetrainer, und das tut sie in Alaska. An einem typischen Tag verbringt sie 55 Meilen auf dem Hundeschlitten, neun Monate des Jahres im Schnee. Entsprechend fit ist sie, und sie wird mich den Rest des Tages mitziehen. So kommt es, dass ich heute 15.5 Meilen weit gehe, obwohl ich erst nach Mittag losgegangen bin, und obwohl es zum Schluss einen ziemlich steilen Berg hinauf geht. Bereits in der Dunkelheit und knapp unterhalb der Kammhöhe (dort ist es windstiller) beschließen wir zu zelten.
Bereits im Zelt fühle ich mich an meine ersten PCT-Erfahrungen von 2021 erinnert und frage mich, ob ich heute einen Fehler gemacht habe. Die Möglichkeit, nicht alleine zu wandern, hat mich dazu verführt, wesentlich schneller zu gehen als ich das sonst getan hätte. Bislang ist alles gut gegangen. Ob ich mein Tempo von heute morgen bereuen werde?