Ich wache in meinem Zelt auf und denke erstmal nichts Böses. Dann fällt es mir wieder ein: Meine Luftmatratze liegt schön gerade, aber der gesamt Zeltplatz ringsum ist sehr abschüssig, klein, und unmittelbar daneben geht es steil den Berg runter. Ich frühstücke sehr vorsichtig im Zelt und gehe dann heraus. Wie meistens morgens, sind auch heute meine Beine erst mal steif, was sich nicht positiv auf die Balance auswirkt. Sehr langsam bewege ich mich um mein Zelt herum, bis dass ich etwas gelenkiger werde. Dann baue ich sehr vorsichtig mein Zelt ab – jetzt bloss nichts am falschen Ort abstellen, damit nichts rollt und rutscht, es würde erst mindestens zweihundert Meter tiefer wieder zur Ruhe kommen!
Nach einer Weile ist aber alles ohne Zwischenfall geschafft, mein Rucksack ist wieder gepackt, und es kann weitergehen. Ich bin froh, dass diese Nacht nichts passiert ist – und nehme mir vor, in den nächsten Tagen sorgfältiger vorauszuplanen, wo ich zelten werde.
Der Blick im Morgenlicht fällt zurück auf den Lake Roosevelt:

Schwierige Hangtraversen haben es an sich, dass sie faszinierende Weitblicke ermöglichen!
Auf der nächsten ein oder zwei Meilen ist der Weg noch recht überwachsen; dann endet die Hangtraverse, und unmittelbar danach gibt es gute Zeltplätze. Ein älteres Ehepaar steht gerade auf, sie kommen freudig auf mich zu und fragen, wie mir die Wanderung gefällt. Ich finde ein paar freundliche Worte und lerne, dass die beiden Trail Stewards für diesen Teil des Arizona Trails sind und seit ein paar Tagen den Trail freischneiden von überwuchernden Sträuchern. Allerdings kommen sie mir entgegen, so dass ich von ihrer Arbeit bis jetzt noch nichts bemerkt habe. Ich bedanke mich und gehe weiter – der Unterschied ist frappierend. Von einem Meter auf den anderen ist der Trail nicht mehr überwuchert, sondern frei, gut einzusehen und in fast perfektem Zustand. Wieder einmal bin ich dankbar für die vielen freiwilligen Helfer, denen so viel an ihrer schönen Natur liegt, dass sie viel Zeit und Schweiß investieren, um Wege wie diesen für Wanderer wie mich zugänglich zu halten.
Nachdem die Hangtraverse gestern schwierig war, wird der Weg heute deutlich einfacher. Außerdem geht es im wesentlichen bergab. Entsprechend kann ich heute gut Strecke machen: 22.8 Meilen lege ich zurück, mein bisher längster Tag! Unterwegs begegnet mir noch eine Krötenechse. Ich sehe sie, weil sie sich bewegt. Als sie anschließend allerdings still im Gras verharrt, ist sie fast unsichtbar, und dieses Suchbild entsteht:

Am Ende des Tages wandere ich durch die Dunkelheit, und eine Entscheidung steht an: Laufe ich noch heute Abend die kurze Strecke bis zum Trailhead am Highway 87 und versuche, in der Dunkelheit eine Mitfahrgelegenheit nach Payson zu bekommen – und dann ein warmes Abendessen und ein Bett in einem Motel? Oder übernachte ich kurz vor Highway 87 an einem wirlich schönen Zeltplatz und fahre erst morgen früh in die Stadt? Far Out sagt, dass dieser Highway nachts nicht wirklich stark befahren ist. Und die Erfahrung lehrt, dass Anhalter nachts noch weniger Chancen haben, mitgenommen zu werden, als tagsüber. Also campe ich am Sycamore Creek und vertage die Fahrt in die Stadt auf morgen.