AZT Tag 27, 12.1 Meilen durch die Superstition Wilderness bis AZT-Meile 327.4

Mein Tag beginnt recht früh – aber deutlich später als der Tag von Musher. Als ich mein Zelt öffne und mich umschaue, ist sie schon über alle Berge. Das kommt jetzt nicht unerwartet und eigentlich auch nicht ungelegen – einen zweiten Tag in ihrem Tempo hätte ich nicht durchgehalten.

Ich sehe mich um. Gestern bin ich hier in der Dunkelheit angekommen, und habe knapp unterhalb der Kammlinie gezeltet. Dieser Platz bietet eine grandiose Aussicht, siehe das Bild oben – so macht das Frühstücken Spaß.

Meine Befürchtungen vom Vortag erweisen sich als berechtigt: Ich war zu schnell, und jetzt habe ich Schmerzen im linken Fußgelenk, da, wo ich nach einem Bruch vor 15 Jahren operiert wurde. Nicht gut. Insbesondere deshalb nicht, weil der Tag heute viele Höhenmeter bieten wird, abwechselnd aufwärts und abwärts. Ich beschließe, es langsamer angehen zu lassen und vorsichtig zu sein; es sind noch viele Meilen bis Utah, und ich möchte ankommen.

Kurz nach dem Start gibt es ein weiteres Bilderbuchpanorama:

Danach geht es steil abwärts, Richtung Reavis Trail Junction, wo es Wasser geben soll. Der Weg ist steinig, und ich falle irgendwann. Nichts wirklich ernstes, aber doch genug, um mir einen Schrecken einzujagen und eine Pause zu machen. Als ich am Hang sitze, höre ich eine andere Wanderin kommen. Sie schreit laut, und es klingt, als ob sie verletzt ist, oder sehr, sehr wütend. Als sie zu mir aufschließt, spreche ich sie an. „Alles in Ordnung?“ Und bekomme eine Antwort, die ich hier kommentarlos aufschreibe: „Yes, don’t worry. I am just working through some intense emotions.“

Auch andere Wanderer wandern nicht nur, um zu wandern.

Etwas später am Tag werde ich daran erinnert, dass Feuer in der Wüste zu den natürlichen Kräften gehört, die die Landschaft prägen:

Hier hat es 2011 gebrannt. Einiges ist schon wieder nachgewachsen, aber die verkohlten Reste der ehemaligen Büsche prägen nach wie vor das Bild. Für meine deutschen Augen immer noch ein sehr ungewohnter Anblick, hier ein Bestandteil der Wildnis, der dazugehört.

Der Trail verläuft heute fast vollständig über die ehemalige Farm von Elisha Reavis. Er hat hier 1874 gesiedelt, und von seinen Bemühungen, hier Landwirtschaft zu betreiben, ist noch einiges zu sehen. Es gibt immer wieder verrostete Reste landwirtschaftlicher Geräte, die Ruine seines Bauernhauses und ein paar Apfelbäume auf einer Wiese, die einmal eine ansehnliche Plantage gewesen sein muss. Ich setze mich in den Schatten eines dieser Bäume zur Mittagspause und treffe einen Tageswanderer, einen älteren Mann, der hier ebenfalls eine ausgedehnte Pause genießt. Wir kommen ins Gespräch, und er erzählt, dass er eine Zeit lang in dieser Gegend als Ökologe beschäftigt war. Er hat an einem Projekt zur Verhaltensforschung an Gila-Monstern und Klapperschlangen gearbeitet. Sie wollten herausbekommen, wie sich diese Tiere bewegen, und dazu haben sie sie mit GPS-Transmittern ausgestattet und dann über lange Zeiten ihre Bewegungen verfolgt. Die Erkenntnis: Beide Tierarten sind territorial. Sie bewegen sich über Jahre auf immer dem gleichen Flecken Land, den sie nicht mit Artgenossen teilen. Und sehr selten verteidigen sie ihr Gebiet – meist ist das nicht nötig, weil es genügend Platz für die Tiere gibt. Außerdem verbringen Gila-Monster viel Zeit damit, sich unmittelbar vor ihrer Höhle auf einer Art Terrasse zu sonnen … die sagenhaften Tiere werden mir zunehmend sympathisch. Ich frage ihn, ob es leicht ist, ein Gila-Monster zu sehen. Klapperschlangen sind mir bisher ja schon mehrere begegnet, nach einem Gila-Monster habe ich bis jetzt vergeblich Ausschau gehalten. Er macht mir keine großen Hoffnungen.

Mein angeschlagener Fuß dankt mir diese ausführliche Pause, danach läuft es sich schon etwas besser. Es ist spät am Nachmittag, als ich weitergehe. Ein Gila-Monster sehe ich heute nicht, dafür begegnet mir dieser Kamerad:

Nach nur etwas mehr als 12 Meilen schlage ich mein Nachtlager auf. Der Tag war anstrengend, der Weg schwierig, und meine Schmerzen haben nicht gerade geholfen. Aber ich bin ein gutes Stück weiter gekommen, und morgen könnte ich es vielleicht bis Roosevelt Lake schaffen.

Die Moral von der Geschicht: Gestern zu schnell zu gehen war eine wirklich blöde Idee. Und zu schnell zu sein macht letztlich langsamer, nicht schneller.

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