Heute wandere ich am Fluss entlang und habe den ganzen Tag Wasser und angenehm kühle Temperaturen – so dachte ich mir das. Es kam anders. Der Weg führt nicht am Fluss entlang, sondern steigt in eine Halbhöhenlage des Canyons, und bleibt den meisten Teil des Tages da. Das heißt: Es ist heiß, es gibt kein Wasser, und es gilt, Höhenmeter zu überwinden. Das heißt aber auch: Anstatt mich durch die üppige Ufervegetation zu schlagen, wird die Mühe während des größten Teils der Wanderung durch hervorragende Ausblicke in die Canyonlandschaft des Gila-Flusses belohnt. Siehe oben – und hier:
Auf diesem Bild kann man schön erkennen, wie die Wüstenlandschaft auf den Hängen des Canyons im Tal abgelöst wird durch üppige Wälder – das Wasser des Flusses macht es möglich. Außerdem ist die Eisenbahnlinie gut zu erkennen, die am Fluss entlang führt. Was man nicht sieht: Im Laufe des Tages kommt hier nicht nur ein Zug, sondern auch zwei Black Hawks. Andere Wanderer haben das gleiche beobachtet – in der Nähe scheint ein Militärgelände zu sein, und die Hubschrauberpiloten nutzen das Tal des Gila-Flusses als Trainingsgelände. Ich sehe die beiden Hubschrauber von oben …
Die Vormittagswanderung bringt Pflanzen und Sonne:
In diesen Gegenden sind die schmalen Saguaros die einzigen Schattenspender. Abgesehen natürlich von den Wanderhüten:
Der markanteste Punkt der Wanderung ist heute der tiefste Punkt des Arizona-Trails. Mit 1.646 Füßen liegt er in etwa so hoch wie meine Heimatstadt Aalen! Ich erreiche die entsprechende Wegmarkierung kurz vor Mittag:
Danach kommt dann ein weiterer besonderer Ort für diesen Tag, einer der ganz wenigen Punkte, an denen der Gila-Fluss zugänglich ist. Ich beschließe, dort Mittagspause zu machen, Wasser zu filtern, und die heißesten Stunden des Tages im Schatten abzuwarten, um dann nachmittages den nun folgenden steilen Anstieg in Angriff zu nehmen (leider logisch – nach dem tiefsten Punkt geht es nur noch bergauf). Also richte ich mich gemütlich ein und überlege, ob ich vielleicht sogar ein Schläfchen machen sollte:
Doch daraus wird nichts. Ich befinde mich nämlich auf Privatgelände, und das bedeutet auf einer Ranch. Und Ranch wiederum bedeutet, dass ich mir die Gegend mit einer gehörigen Anzahl Kühe teile, die nur deshalb wenig auffallen, weil ihr Weidegebiet so riesig ist. Hier allerdings ist das anders. Dieser Zugang zum Fluss ist nicht nur für mich die einzige Wasserstelle weit und breit, sondern auch für die Kühe! Und so bekomme ich schon kurze Zeit später Besuch:
Auf dem Foto wirken diese Tiere zu allem entschlossen, in der Realität war das anders. Sie standen sehr unschlüssig in sicherem Abstand von mir, hatten sichtlich Durst und wollten ans Wasser, wussten aber nicht, wie sie diesen komisch-bunten Kerl einschätzen sollten, der da ihre Wasserstelle blockierte. Also blieben sie stehen und taten gar nichts – fast zwanzig Minuten lang. Nachdem ich mich dann immer noch nicht bewegte, schickten sie die größte Kuh mit den längsten Hörnern vor, ans Wasser zu gehen und zu trinken. Das tat sie dann auch, mit größtmöglichem Abstand zu mir und einer gehörigen Portion Respekt. Für mich war die Situation auch interessant – in der Spitzenzeit sah ich mich mit insgesamt zwölf Kühen konfrontiert, die allesamt größer und schwerer waren als ich. Aber ich konnte mich wieder einmal davon überzeugen, dass Kühe sehr friedfertige und furchtsame Tiere sind! So habe ich so lange am Fluss verbracht, bis dass ich genügend Wasser gefiltert hatte, um meine Vorräte aufzufüllen, und dann habe ich mich wieder auf den Weg gemacht.
Am Nachmittag geht es zunächst sehr steil über eine Art Feldweg den Berg hinauf. Bald ändert sich aber das Gelände, und in einem fast perfekt angelegten Wanderweg geht es in langen Serpentinen durch die wunderschöne Landschaft des Alamo Canyon – allerdings kontinuierlich bergauf, ohne jede Wasserquelle.
Heute steht hier alles unter Naturschutz, aber das war nicht immer so. Früher wurde in diesem Gebiet eifrig geschürft. Vermutlich wurde Gold gesucht, und Kupfer gefunden. Wenn dann die Besitzer der Mine die Lust verloren hatten, bleibt der Rest liegen, und das sieht dann so aus:
Die meisten der vielen schönen Saguaros auf diesem Bild waren vermutlich auch schon da, als diese Mine noch in Betrieb war!
Kurz nachdem ich dieses Bild aufgenommen habe, treffe ich an einem Trail Head drei Mountain Biker. Bisher habe ich noch nicht viele Radfahrer getroffen, so bleibe ich stehen und wir machen gemeinsam eine Pause. Die drei sind mit dem Wohnanhänger aus Kanada hierher gefahren – eine zweieinhalb Tage lange Fahrt! Sie stehen auf einem Campingplatz, an dem ich bald vorbeikommen werde. Lose verabreden wir uns auf ein Treffen – wer weiß!
Abgesehen von Mountain Bikern, Landschaft, Kakteen und Minen gibt es heute auch noch Tierfotos. So posiert eine kleine Krötenechse:
Und etwas später gelingt es mir, einen Geier im Flug zu fotografieren:
Während der Wanderung ist es spät geworden, ich packe meine Stirnlampe aus und laufe weiter. Die Berge präsentieren sich in schönster Sonnenuntergangsbeleuchtung:
Allerdings wird bald klar, dass es heute nicht mehr bis zur nächsten Wasserstelle reichen wird. Ich laufe zwar noch ein Stück, aber es wird sehr schnell sehr dunkel, und der Weg sehr felsig. Nach Far Out gibt es noch einige wenige Zeltplätze auf den nächsten Meilen, danach kommt lange nichts. Also suche ich im Dunkeln nach einem der beschriebenen Plätze, finde ihn, bleibe dort für die Nacht und halte noch einen letzten Eindruck fest:
Mit 20.1 Meilen war dieser Tag meine bisher zweitlängste Etappe.