Am Morgen wache ich auf und schaue mich um. Nachdem ich gestern Abend spät in der Dunkelheit hier angekommen bin, staune ich nicht schlecht über die Aussicht an meinem Zeltplatz, siehe oben. Der Zeltplatz selber ist allerdings auch nicht von schlechten Eltern. Das nächste Foto ist ein Suchbild – der Hinweis lautet, mein Zelt ist zu sehen:
Als ich diese Bilder aufnehme, kommt eine Wanderin den Weg entlang, die sich als Chaps vorstellt. Ich frage, wo sie gezeltet hat, und sie sagt mir, dass sie bereits drei Meilen unterwegs ist. Wieder einmal lerne ich, dass andere Leute einfach früher aufstehen! Ich lasse mich nicht irritieren und fotografiere das Morgenlicht noch in einem Seitental:
Danach geht auch für mich die Tageswanderung los. Nach einigen Meilen komme ich zum ersten Regenwassersammler dieses Trails, der eigens für Wanderer aufgestellt wurde. Auf einem großen zylindrischen Tank ruht ein noch etwas größerer umgekehrter Konus, der in der Mitte ein Loch hat. Wenn es regnet, wird all der Regen, der auf den Konus fällt, durch das Loch in den Zylinder geleitet. Wenn die Sonne scheint, deckt der Konus den größten Teil des Zylinders ab, so dass die Verdunstung moderat ausfällt – über die Regenzeit füllt sich der Zylinder. Fehlt nur noch ein Wasserhahn, fertig ist die selbstgebaute Wasserquelle mitten in der Wüste. Als ich dort ankomme, erwartet mich bereits eine größere Gruppe Wanderer. Chaps bin ich bereits morgens begegnet, Rodeo, Peter Pan, Hot Lips und Scoosh sind neue Bekanntschaften. Wir füllen unsere Wasservorräte wieder auf, was eine ganze Weile dauert, weil das Wasser gefiltert werden will. Auch vom Regenwassersammler gibt es schöne Ausblicke:
Weiter geht es auf den nun nur noch kurzen Weg zum Picketpost Trail Head am Highway 60. Ich treffe dort gemeinsam mit Chaps ein, und wir finden Tageswanderer, die uns gern ins nahe gelegene Städtchen Superior mitnehmen. Chaps hat sich dort ein Bett beim Trail Angel MJ reserviert; ich nehme mir ein Zimmer im Copper Mountain Motel. Da mein Zimmer noch nicht frei ist, gehen wir beide zu MJ, die allerdings nicht zu Hause ist. Stattdessen erwartet uns dort Poppins, eine andere Wanderin, die wegen einer Verletzung schon seit einigen Tagen bei MJ wohnt. MJ ist eine Dame im Alter von geschätzt irgendwo zwischen 60 und 70 Jahren, lila gefärbte Haare, und ein Haus, in dem sämtliche ehemaligen Kinderzimmer so umgebaut wurden, dass dort jetzt 12 Wanderer übernachten können. Und heute ist das Haus, wie meistens während der Wandersaison, voll ausgebucht. Poppins fragt mich, ob ich nicht zum Abendessen bleiben möchte, was ich gerne annehme. Ich schaue mich um. Die meisten Wände wurden irgendwann von Wanderern bemalt, die deutlich kunstfertiger sind als ich. Im Regal stapeln sich Bücher über den Arizona Trail, an der Wand hängt eine riesige Karte, überhaupt scheint sich hier alles ums Wandern zu drehen. Ich bin beeindruckt – insbesondere, weil MJ’s Haus kein professioneller Übernachtungsbetrieb ist, sondern vollständig von Spenden lebt. Sie hat wirklich ein großes Herz für Wanderer!
Das Haus füllt sich langsam, als der Tag sich dem Ende neigt. Musher und Hulk kommen zu Chaps, Poppins und mir, außerdem Ellis, der nicht wandert, sondern als Schlauchbootführer Rafting-Touren anbietet. Der Abend wird lebhaft, und irgendwann fragt Ellis, ob wir nicht Lust hätten, morgen eine Rafting-Tour zu machen. Er hat seinen freien Tag und hätte Lust dazu. Wie bitte? Ein Tag Rafting einfach so, umsonst? Zu meiner Überraschung sagen nur drei Wanderer zu – Poppins, Chaps und ich. Am nächsten Morgen soll es losgehen! Aber für heute endet der Tag mit einer Trommel voller Wäsche und der ersten Nacht in meinem Motelbett.
Nachtrag – zwei Wochen später:
Ich konnte nicht wiederstehen und habe das Bild mit dem einsam im Morgenlicht stehenden Säulenkaktus noch einmal nachbearbeitet. Ich denke, dies gibt die tatsächliche Stimmung des Morgens ein Stück authentischer wider, als es die ursprüngliche Bearbeitung oben tut. Aber entscheidet selbst: