AZT Tag 54, 19.1 Meilen bis East Rim, AZT-Meile 736.6

Ist der Grand Canyon zu toppen? Klar, jedenfalls nach Zahlen. Heute steht nämlich der geographisch höchste Punkt der AZT-Wanderung bevor – und zugleich beginnt der letzte Abschnitt des Weges durch den sogenannten Arizona Strip. Das ist der nördliche Teil Arizonas, der durch den Grand Canyon fast vollständig vom Rest Arizonas abgetrennt ist. Viele der Bewohner sind Mormonen, die Nähe des Mormonenstaates Utah lässt grüßen, und insgesamt ist das Land äußerst dünn besiedelt. Ich bin noch einmal gespannt, was mich erwartet.

Los geht es am Campingplatz am North Rim. Aus meinem Zelt kann ich fast in den Grand Canyon herunterblicken – und das ist am Morgen ähnlich spektakulär wie am Abend zuvor:

Aber jetzt ist die Zeit für den Abschied hier gekommen. Chandler ist bereits unterwegs, als ich aus meinem Zelt krieche. Ich habe es allerdings nicht besonders eilig, und gehe erst einmal zu dem Laden, der morgen, am 15. Mai 2024, pünktlich wieder für die Sommersaison eröffnen soll. Dort herrscht schon reger Betrieb, die Aushilfskräfte für die Saison werden eingelernt, und zu meinem Glück läuft die Kaffeemaschine im Probebetrieb – und es wird ein Testtrinker benötigt! So beginnt dieser Tag mit einem frischen Kaffee.

Danach mache ich mich auf den Weg. Zunächst ist fast eine Meile zurückzulegen, um vom Campingplatz direkt am Canyonrand wieder zurück zum Wanderweg zu kommen. Während dieser Zeit trübt sich das Wetter ein; das letzte Foto ließ ja schon viele Wolken erkennen. Eine Mischung aus Nebel und Nieselregen, mitunter auch stärkere Schauer, stellt sich ein und stellt sich dann auch für den größten Teil des Tages nicht wieder aus.

Ich wandere jetzt durch den Wald. Das erste Fotomotiv habe ich dirkt vor meinen Füßen:

Aber auch der Blick nach vorn offenbart Neues:

Was ich zunächst für Birken halte, entpuppt sich als Espen. Allerdings fehlen noch die Blätter – das Grün im Bild kommt samt und sonders von immergrünen Nadelbäumen, die Laubbäume sind noch kahl. Hatte ich gestern noch hochsommerliche Temperaturen unten im Grand Canyon, bin ich jetzt wieder im Vorfrühling angekommen. Der Schnee ist zumindest hier zwar weggetaut, aber die Bäume sind noch kahl. Die ganze Landschaft (einschließlich des trüben Himmels) erinnert mich sehr an meine münsterländische Heimat – oder auch an meine schwäbische Wahlheimat. Dieser Mischwald bei Mistwetter wirkt sehr vertraut.

Und dann komme ich an den nach Karte höchstgelegenen Punkt des Arizona Trails, und finde dort … nichts:

Wenn überhaupt, dann sorgen die Treckerspuren auf dem Waldweg dafür, dass es hier noch deutlich mehr nach schwäbischer Alb aussieht als bisher auch schon! Ein Änderung weiß ich allerdings zu schätzen: Wenn man am höchsten Punkt war, dann geht es fortan bergab. So auch hier.

Nach ein paar Meilen folgt ein weiteres Zeichen, dass sich meine Wanderung dem Ende nähert: ich verlasse den Nationalpark, der zugleich das letzte ausgewiesene Schutzgebiet auf meiner Wanderung ist.

Und dann gibt es noch einmal Schnee:

Es ist kalt, regnerisch, nebelig, und der Schnee verliert ganz klar gegen den auch hier oben heranziehenden Frühling – aber noch ist die Schlacht nicht vorbei. Ich gehe weiter. Während mein elektronischer Reiseführer die Landschaft in den höchsten Tönen ob ihrer Andersartigkeit lobt und beschreibt, wird mir klar, dass Andersartigkeit immer eine Frage der Referenz ist. Für mich sieht es hier sehr ähnlich aus wie zu Hause, was ich zugleich überraschend (ich bin schließlich in Arizona) und enttäuschend (ich bin schließlich in Arizona) finde. Ich komme schnell voran und nähere mich einem möglichen Zeltplatz, der etwas ominös mit East Rim beschrieben ist. East Rim? Nie gehört. Vom den vielbeschriebenen North- und South Rims des Grand Canyon lese ich seit Jahren, aber dieser Begriff ist mir noch nie untergekommen. Und dann kommt hiner einer Biegung die Überraschung des Tages. Der Weg verlässt plötzlich den Wald, ich stehe auf einer lichten Wiese, und befinde mich wieder direkt am Abbruchrand. Mehr oder weniger zeitgleich kooperiert das Wetter, und vor mir tut sich dieser gewaltige Blick auf:

Da ist ein riesiges, unförmiges Loch im Boden, durch das der Colorado River tief unten fließt. Ich habe dieses Bild vor Jahren schon einmal gesehen – auf der Titelseite eines Geo-Kalenders, vor dem ich fasziniert stehen blieb und mich fragte, wo dieses Bild entstanden sein könnte. Und als ob das des Schönen noch nicht genug wäre, geht in den nächsten Minuten die Sonne unter und taucht die spektakuläre Landschaft in jedem Moment in neue Farben. Siehe auch das Bild ganz oben!

Die Kombination aus Sonnenlicht und ziehenden Wolken gibt mir schließlich auch noch diesen Blick auf den East Rim:

Begeistert schlage ich mein Zelt auf. Allerdings suche ich mir wegen des Windes und des zu erwartenden Regens einen Platz unter den Bäumen. Das sind hier wieder Kiefern – und so entsteht das letzt Foto des Tages:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 + 1 =

Recommended Articles