Gestern Abend bin ich bis zum Cushing Tank gelaufen. Das ist ein See, der vor allem als Viehtränke dient – aber eben auch als Wasserquelle für Wanderer wie mich. Nachdem ich erwarte, dass der Tag heute ähnlich verläuft wie der Tag gestern, nämlich in Kiefernwäldern, beginne ich mit einer Fotosession im Morgenlicht am Cushing Tank. Dabei ist dieses Bild herausgekommen:

Anschließend wandere ich los. Heute will ich einen Abstecher vom AZT machen zu der kleinen Community Mormon Lake – mit Postamt, Laden und Restaurant. Ich freue mich auf warmes Essen schon zum Frühstück, Eier, Käse und Kartoffeln, und mache mich auf den Weg. Der Ort besteht vor allem aus Trailer Parks, die für die Bewohner Sommerhäuser zu sein scheinen. Schon das Straßenschild verbreitet Urlaubsstimmung:

Freudig mache ich mich auf den Weg zum kleinen Zentrum, komme dort um 8:30 an – und erlebe eine herbe Enttäuschung. Das Restaurant öffnet heute um 17:00 – bis dahin gibt es nichts warmes zu essen. Der einzige Laden öffnet um 9:00. Und die Toiletten sind geschlossen, weil es ein Problem mit der Kläranlage gibt. Bleibt nur die winzige Postfiliale. Dort gibt es eine Hikerbox, und ich decke mich mit Riegeln und Bio-Snacks aller Art ein, die sich andere Wanderer hierhin zugeschickt haben und dann doch nicht mitnehmen wollten. Der Auswahl nach könnte das Paket von Chaps gekommen sein …
Eine halbe Stunde später öffnet der Laden. Kein warmes Essen, Kaffee erst in einer Stunde („die Maschine muss aufheizen“), und auch dort keine Toilette. Mein Trotzkopf gewinnt, und ich besorge mir Eier, Käse und Kartoffeln zum Frühstück: Mozzarella String Cheese, zwei hartgekochte Eier in Plastik eingeschweißt aus der Kühlung und eine Dose Kartoffelsalat. Vor dem Laden steht eine Bank, grinsend schaufele ich die Kalorien in mich hinein, und beschließe, dass es zwischen Mormon Lake und mir jetzt unentschieden steht – nachdem es erst mal nach einer Niederlage für mich ausgesehen hatte.
Etwa um zehn mache ich mich wieder auf den Weg. Ich nehme eine Abkürzung an der Straße entlang und biege dann etwas später wieder auf den AZT ab, der hier parallel zur Autostraße durch den Kiefernwald mäandriert. Und fotografiere zur Abwechselung – etwas Kiefernwald:

Entgegen meiner Befürchtung bleibt es heute aber nicht beim Kiefernwald. Der Weg führt nach oben, auf eine trockene Hochebene. Dort weitet sich der Blick, und die einzeln stehenden Bäume geben ein anderes Bild als die Wälder der vergangenen Tage:

Außerdem kommen zu den Kiefern hier wieder Zypressen- und Wacholdergewächse hinzu:

Neben der Abwechselung in der Pflanzenwelt gibt es auch ein neues Feature in der Tierwelt. Auf dieser Hochwiese sind vor wenigen Tagen Millionen von Zikaden geschlüpft, die jetzt mit lautem Lärm durch die Luft schwirren. Leider sind die Tiere nicht mit besonders guten Navigationsfähigkeiten gesegnet, so dass der leichte Wind dieses Tages dazu führt, dass mir im Sekundenrhythmus etwa daumengroße Insekten auf Jacke und manchmal auch Brille klatschen. Zum Glück sind die Tiere vollkommen harmlos, und das ganze ist nur lästig. Nicht auszudenken, wenn jeder Aufschlag mit einem Stich einhergehen würde …
Ich wandere weiter, auf dem Weg zu einem guten Rastplatz am Wasser. Mein Ziel heißt Horse Lake, und dort komme ich am Abend auch an. Aus meinem Zelt ergibt sich ein großartiger Blick auf den jetzt schon recht nahe gerückten Mount Humphrey:

Dieser Vulkan ist der Hausberg von Flagstaff, und an seiner Flanke befindet sich die Arizona Snow Bowl, Arizonas höchstgelegenes Skigebiet. In ein paar Tagen, nach der Rast in Flagstaff, werde ich dort vorbeigehen. Für heute aber bleibt dieser Berg meine Aussicht am Abend.
Als ich noch fotografiere, kommen Safari und Season Pass, zwei weitere Wanderer, die ebenfalls am Horse Lake zelten. So gibt es heute Abend wieder Gesellschaft! Wir genießen mit allerlei Geschichten den Sonnenuntergang, siehe oben. Fun Fact: Safari kommt nicht nur wie ich aus Deutschland, wir wohnen gerade einmal 50km Luftlinie voneinander entfernt … die Welt könnte vielleicht doch klein sein! Als es kalt wird, nehme ich noch ein letztes Foto auf und verkrieche mich dann in meinem Zelt. Wenn alles gut geht, komme ich morgen bis nach Flagstaff.
