Der Tag beginnt mit einem Meilenstein, auch wenn dieser hier vor allem aus Kiefernzapfen besteht: 600 Meilen bin ich jetzt unterwegs seit der mexikanischen Grenze. Flagstaff mit seinem ausschweifenden städtischen Wanderwegsystem liegt hinter mir, die Wildnis hat mich wieder, und so langsam rückt der Grand Canyon näher. In etwas weniger als einer Woche sollte ich dort sein.
Aber heute geht es erst mal über den Pass an den Flanken des Humphrey Peaks. Dort befindet sich in Ski-Resort, die Arizona Snow Bowl, und tatsächlich liegt noch genug Schnee, um dort auch Ende Mai in der Wüste noch Ski zu fahren. Abseits der präparierten Pisten ist der Schnee allerdings schon sehr matschig. Und nachdem ich die Beschreibung eines Wanderers gelesen hatte, der vor einigen Tagen diesen höchsten Gipfel Arizonas bestiegen hatte, entscheide ich mich dagegen. 800 Höhenmeter lang durch matschigen Schnee rutschen, auf zum Teil sehr steilen Wegen – das ist nicht meine Vorstellung von einer gelungenen Wanderung. Also bleibe ich dem Arizona Trail treu und verzichte auf den Abstecher.
Aber auch der Trail steigt heute wesentlich höher hinauf, als in den vergangenen Tagen. Die Passhöhe liegt bei etwa 9000 Fuß (ca. 2700 Metern), so hoch war ich schon seit einigen Wochen nicht mehr. Und so warten heute einige Überraschungen auf mich.
An der ersten größeren Wasserstelle entsteht dieses Bild:

Abgesehen von einem weiten Blick durch die Landschaft stehen hier die ersten Laubbäume des Trails! Kurz danach führt der Weg durch diese Bäume hindurch:

Dass sie so kahl sind, liegt nicht an einem Feuer, sondern an der Jahreszeit. Für frisches Grün ist es in dieser Höhe noch zu früh. Ich halte die Bäume wegen ihrer weißen Stämme für Birken – lerne aber später, dass es sich um Espen handelt. Die berühmten Aspens, auch als amerikanische Zitterpappeln bekannt! Ich bin heute hoch genug in den Bergen, dass es kalt und feucht genug für Laubwälder ist. Das ist auf dieser Wanderung ein Novum.
Kurz zuvor habe ich einen Blick auf Humphreys Peak werfen können:

Die Südflanken und auch die Westflanken dieses mit 3851 Metern höchsten Berges von Arizona sind weitgehend schneefrei – ich bin gespannt, wie die Nordflanken aussehen. Mein Weg führt mich jetzt an den höchsten Punkt des Tages, und dort gibt es dann etwas, das ich auch einige Zeit nicht mehr gesehen habe – Schnee auf dem Trail.

Aber auch wenn das Bild vielleicht einen anderen Eindruck vermittelt, es ist wenig Schnee und es ist leicht, hindurchzukommen. Kein Vergleich mit San Jacinto auf dem PCT oder gar den verschneiten Gipfeln der High Sierra!
Die Gegend, durch die ich jetzt wandere, heißt San Francisco Peaks. Und diese Peaks finde ich sehr erstaunlich. Denn hier gibt es nicht nur den einen großen Vulkan Humphreys Peak – insbesondere auf der Nordseite findet sich ein ganzes Feld weiterer Hügel, die alle vulkanischen Ursprungs sind. Unter der Erde muss es hier ein großes Lavafeld gegeben haben, aus dem an unterschiedlichsten Stellen immer wieder Ausbrüche hervorgekommen sind. Es sieht fast aus, als ob der große Berg viele kleine Kinder hätte. Das sieht dann zum Beispiel so aus:

Links im Bild zwei vulkanische „Hügel“ auf einer Hochebene, die irgendwo zwischen 2000 und 2500 Metern liegt. Im Hintergrund jetzt viel stärker schneebedeckte Südflanke des Mount Humphrey. Das Bild lässt erahnen, dass die Vulkane im Vordergrund viel niedriger sind als Mout Humphrey. Und es ist gut zu sehen, dass es hier vor nicht allzu langer Zeit gebrannt hat. Was auf dem Bild nicht zu sehen ist, sind die vielen weiteren Vulkankegel in unmittelbarer Nähe. Es ist wirklich ein ganzes Feld von Vulkanen! Ich finde das sehr erstaunlich.
Irgendwo in dieser Gegend schlage ich mein Zelt für die Nacht auf. Da ich wieder etwas tiefer bin, gibt es jetzt wieder Kiefern und Zypressen, zeitweise auch nur Zypressen. Das letzte Foto für heute zeigt noch einmal den Blick zurück auf Mount Humphreys. Morgen werde ich diesen eindrucksvollen Berg endgültig hinter mir lassen.
