Wie stellst Du dir denn deinen nächsten Schritt vor?

Wirklich sehr nett von meinem neuen Chef, mir gleich in unserem ersten Gespräch diese Frage zu stellen. Nach über 20 Jahren in Konzernen kannte ich die erwartete Antwort: „Ich würde gerne in absehbarer Zeit in deinem Bereich eine größere Verantwortung übernehmen.“ Eine schöne Situation, eine klare Sache – nur, dass mir bei dem Gedanken an diese Antwort heiß und kalt wurde. Einerseits eine Verlockung und eine schöne Wertschätzung, verbunden mit der Aussicht auf mehr Geld, mehr Ansehen, mehr Verantwortung.
Aber da war auch die andere Seite der Karriere. Die Kindheit meiner Kinder hatte ich weitgehend verpasst. Meine körperliche Fitness hatte ich bis zum Bandscheibenvorfall vernachlässigt. Und oft hatte ich monatelang schlecht geschlafen. Wie so viele hatte ich aus meiner Reserve gegeben, und die wurde weniger. Ich dachte an Kollegen, die diesen Weg konsequent zu Ende gegangen waren – die an Überarbeitung gestorben waren. Herzinfarkt heißt das dann meistens offiziell.
So weit war es mit mir nicht. Aber da war ein Abgearbeitetsein, gegen das auch drei Wochen Urlaub nicht mehr wirkten. Ich bin 48 Jahre alt, ich habe noch 20 Jahre Arbeitsleben vor mir, vielleicht mehr. Und in diesem Moment war mir klar: so geht das nicht weiter.
„Ich kann mir gut vorstellen, in deinem Bereich in Zukunft eine größere Verantwortung zu übernehmen. Aber was ich als nächsten Schritt wirklich machen möchte, ist eine Auszeit.“

Vier Monate später

Ich sitze wieder mit meinem Chef zusammen. In der Zwischenzeit habe ich nachgedacht. Mir ist klar geworden: ich will wirklich eine Auszeit machen. Ich habe mit meiner Frau gesprochen, mit meinen Kindern, habe die Finanzen geprüft. Es sollte gehen. Also bringe ich das Thema auf.
„Ich habe dir in unserem letzten Gespräch gesagt, dass ich eine Auszeit machen möchte. Mir ist das ernst. Meinst du, so etwas ist möglich?“
Mir war völlig unklar, wie das Gespräch weiter gehen würde. In unserem Konzern mit 30.000 Mitarbeitern wäre ich in 5 Jahren der zweite Leitende Angestellte, der eine Auszeit macht. Es hatte Mut gebraucht, die Frage zu stellen. Umso mehr überraschte mich die klare Antwort:
„Gregor, ich hatte verstanden, dass dir das ernst ist. Ich habe mit der Personalabteilung gesprochen, und wir glauben, dass wir das hinbekommen.“
Mein Chef hat Wort gehalten, und meine Firma auch. Es brauchte zwar noch ein paar Monate, um die Details zu klären, einen Nachfolger für meine Stelle zu finden und meine Aufgaben zu übergeben, aber letztlich war seit diesem Gespräch klar: ich würde meine Auszeit bekommen. Der Mut, die Frage zu stellen, hatte sich ausgezahlt.
Seit dem 15.5.2021 bin ich jetzt freigestellt. Für ein Jahr.

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