Vorbereitungen PCT 2022, Teil 2: Physisch

PCT Washington Hideaway

„Wie hast Du eigentlich für diese Wanderung trainiert?“ Es ist Juli 2021, ich sitze irgendwo in Washington im Camp mit vielleicht zehn anderen PCT-Wanderern. Irgendjemand stellt diese Frage, und dann geht es los. Erste Antwort: „Nicht besonders. Ich laufe dreimal im Jahr Triathlon, ich dachte, ich bin fit.“ Oh Gott – wie bitte? Hätte ich das etwa auch tun müssen? Es geht weiter: „Bei mir ganz ähnlich, aber ich bin nicht so gut im Schwimmen, ich laufe Ultramarathon. In den letzten drei Monaten habe ich das allerdings nicht mehr gemacht, ich wollte nicht so erschöpft auf dem PCT anfangen.“ Ich hätte wissen müssen, dass sich in solchen Gesprächen immer die melden, die toppen können. Dritte Antwort: „Ich bin nicht so der Sportmensch. Aber ich arbeite in einem Rangierdepot für Güterzüge. An einem normalen Arbeitstag laufe ich so 30.000 Schritte.“ Ich hätte es wirklich wissen müssen.

Ich denke zurück. Ich war immer ein Kopfmensch. Mein Körper war über die längste Zeit vor allem dazu da, meinen Kopf am Leben zu halten – mehr nicht. Die Quittung habe ich bekommen: 2009 hatte ich mir den Knöchel gebrochen, die Platte ist immer noch im Fuß. 2015 hatte ich einen Bandscheibenvorfall („L5/S1, der Bürostuhlklassiker“). Über mehr als dreißig Jahre bin ich keinen Schritt ohne orthopädische Einlagen gegangen. Und seit ich Corona-bedingt im Home Office arbeitete, war meine tägliche Schrittzahl von 5.000 auf unter 800 gesunken. Meine Voraussetzungen waren etwas verschieden von denen meiner Mitwanderer.

Die Wende im Kopf kam für mich 2018. Meinen Bandscheibenvorfall hatte ich auf Anraten meines Orthopäden nicht operieren lassen, sondern konservativ behandelt, mit Physiotherapie, Medikamenten und Geduld. Drei Jahre später war ich nicht mehr krank, aber auch nicht völlig gesund. „Austherapiert“ heißt das unter Ärzten. Und da hat es mich gepackt. Mir wurde klar: Hier ist die letzte Weiche. Entweder, ich fange jetzt an, anders mit meinem Körper umzugehen, oder es ist endgültig zu spät. Und da habe ich den Entschluss gefasst: Ich möchte einmal in meinem Leben etwas mit meinem Körper machen. Wo die Bewegung, das Physische im Mittelpunkt steht. Wo es nicht darauf ankommt, schneller oder besser zu denken als die anderen. Wo ganz andere Dinge zählen.

Vieles war nach Knöchelbruch und Bandscheibenvorfall nicht mehr wirklich möglich – keine Schlauchbootfahrt durch den Grand Canyon (Wirbelsäule), kein Marathon (Sprunggelenk) und so weiter. Diese Träume aus einer anderen Lebensphase waren ausgeträumt. Aber Gehen konnte ich. Und mit den Bergen verband mich eine Hassliebe, die sehr anziehend wirkte. Ich hatte damals auch „Wild“ schon gelesen, und hatte sporadisch gute Erfahrungen mit Mehrtageswanderungen gemacht. Und so entstand die Idee: Ich mache eine lange Wanderung. Eine wirklich lange Wanderung.

Über einen Freund fand ich einen hervorragenden Physiotherapeuten, Trainer und Osteopathen. Ich erklärte ihm mein Ziel, und fragte, ob er mir helfen kann, es zu erreichen. „Klar“, sagte er. „Aber das dauert ein bisschen, und Du musst mitmachen.“ Und so begann eine Kombination aus Osteopathie und Gymnastik, durch die ich lernte, nach dreißig Jahren wieder ohne Einlagen zu laufen. Barfußschuhe zu tragen, in denen ich keine Blasen bekomme. Meinen Rumpf so zu kräftigen, dass Rucksacktragen von den Muskeln und nicht von den Bändern übernommen wird. Und schließlich, weiter und weiter zu wandern, ohne dass es auf die Gelenke geht. Ich habe mit der Gehtechnik ganz von vorn angefangen – Fußstellung, Hüftstellung, Bewegungsmuster, Haltung des Oberkörpers. Und zum ersten Mal gespürt: Ich kann auch so etwas lernen. Es ist nicht wie im Schulsport, wo alle anderen die Bewegungen können, nur ich nicht. Hier geht es in meinem Tempo zu, in meinem Rhythmus, und der mag langsamer sein als der der anderen, aber es gibt eine klare Richtung: Ich komme weiter. Und ich hatte jemanden gefunden, der bereit und in der Lage war, mich Kopfmensch auf eine für mich zugängliche Art und Weise in die mir völlig fremde Welt des Sports einzuführen. Wenn dies jemand liest, der ähnlich unsportlich ist, wie ich es war, und der nur einen Satz mitnehmen möchte, dann ist es dieser: Suche Dir einen hervorragenden Trainer, und tu, was er Dir sagt.

Nach diesen Vorbereitungen bin ich 2019 mit meiner Familie den Nordteil des GR 20 in Korsika gegangen. Und 2021 die ersten vielleicht 150 Meilen des PCT in Washington. An diesen Vorbereitungen würde ich gar nichts anders machen.

Jetzt ist 2022, und der PCT steht wieder bevor. Im Wesentlichen wiederhole ich das Training des letzten Jahres, um wieder in Form zu kommen. Am meisten achte ich dabei auf meine Gelenke. Herz-Kreislauf-Ausdauer kann ich beim Wandern selbst erwerben, Kraft in den Muskeln auch. Aber die Gelenke stellen sich auf die Belastung nicht so schnell ein, und wenn sie nicht vorbereitet sind, dann könnte die Diagnose schon sehr bald „Knieprobleme“ heißen oder „Hüftprobleme“. Darauf ist mein Training jetzt abgestimmt. Neben Gymnastik und Osteopathie gehe ich regelmäßig wandern. In der Theorie dreimal die Woche, mit jeweils einem Ruhetag dazwischen, zweimal ungefähr eine halbe Tagesdistanz (also 15-20 km), und einmal eine ganze (also 30-40 km). In der Praxis nicht ganz so regelmäßig, aber im Wesentlichen halte ich mich an den Plan. Das ganze über zwei bis drei Monate. Und dann bin ich so gut vorbereitet, wie ich das mit meinen Voraussetzungen sein kann.

Bleibt noch Juttas und Albrechts Frage: Wo wanderst Du denn so zum Training? Nun, ich wohne in Aalen an der Schwäbischen Alb. Damit liegt ein fantastisches Wandergebiet direkt vor meiner Haustür. Im letzten Jahr bin ich jeweils von zu Hause aus losgegangen, entweder in großer Runde, oder in eine Richtung und dann mit dem Zug zurück. Nach den Erfahrungen auf dem Maximiliansweg wollte ich das Training dieses Jahr auch wieder von zu Hause aus durchführen, aber die Runden, die vor meiner Haustür starten, kenne ich jetzt schon. Deswegen habe ich mir den Remstalweg vorgenommen (https://remstal.de/natur/wandern/remstalweg#/article), einen Fernwanderweg über elf Tagesetappen, der ganz in meiner Nähe startet und endet. Ich kann jeden Ein- und Ausstiegspunkt innerhalb von höchstens zwei Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen, und zu Hause übernachten. Viel niedriger könnte die Einstiegshürde nicht sein! Und nebenbei lerne ich Seiten meiner (Wahl-) Heimat Schwaben kennen, die mir bisher völlig entgangen sind. Und kann noch vor dem PCT behaupten, einen Fernwanderweg abgeschlossen zu haben …

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3 Comments

  1. Swetlana

    Also die Gymnastischen Übungen für die Gelenke würden mich wirklich interessieren. ;-))
    Gruß Swetlana

  2. Gregor Dellemann

    Wenn Du das wirklich wissen willst, musst Du mich schon auf dem Trail treffen 😉

    1. Swetlana

      Da bist du mir dann bereits über drei Wochen voraus. 😊

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