Vorbereitungen PCT 2022, Teil 3: Praktisch

Rucksack PCT

„Clean your rucksack!“

So klingt das, wenn man in einem Firmen-Trainingsprogramm von einem belgischen Professor auf so etwas wie britischem Englisch dazu aufgefordert wird, seine Aktivitäten zu überdenken. Es war 2007, und allen Teilnehmern einschließlich meiner selbst war die tiefe Weisheit dieses Satzes ebenso klar wie die Schwierigkeit, ihn in der Arbeitspraxis umzusetzen. Schließlich gibt es zu jeder Aktivität, die ich überflüssig finde und sein lassen möchte, mindestens einen Menschen, der dann aufschreit und mir erklärt, dass ich genau dieses aber nun gerade gar nicht sein lassen könnte, ohne dass meine Firma deswegen den Weltuntergang riskiert. Und so bleibt fast alles beim Alten, während man sich gegenseitig fleißig versichert, mit dem „Clean your rucksack“ schon fast angefangen zu haben. Dilbert lässt grüßen.

Das liegt ja alles inzwischen weit in der Vergangenheit. Oder?


„Empty your backpack!“

So formuliert ein Amerikaner die gleiche Weisheit, in diesem Fall vielleicht Andrew Skurka (https://andrewskurka.com/learning-to-backpack-the-hard-way/). Diesmal geht es nicht um Firmenbürokratie, sondern um einen tatsächlichen Rucksack. Ich kann die Schuld nicht auf irgendwen anders schieben, denn alles, was in meinem Rucksack ist, habe ich selbst dort hineingesteckt. Als ich das erste Mal in Ravensong’s Roost meinen Rucksack gewogen und mich auf den Weg gemacht habe, zeigte die Waage 50 (amerikanische) Pfund an. Das fand ich in einer Welt von Utralight Backpacking so peinlich, dass ich es bis heute keinem erzählt habe. Schließlich liest man doch überall von 15 Pfund Baseweight und weniger!! Wie kann es sein, dass ich so undiszipliniert bin und meine, 50 Pfund zu brauchen??

Die Quittung habe ich bekanntlich bekommen, und jetzt stehe ich vor meinem Rucksack und frage mich, wie ich ihn leichter bekomme. Dies erscheint mir von allen praktischen Vorbereitungs-Themen das mit Abstand wichtigste zu sein, und deshalb wird sich dieser Blogbeitrag auch ausschließlich damit beschäftigen.

Beim Thema Packen habe ich nämlich einiges gelernt:


  1. Baseweight auf den Packlisten irgendwelcher Internet-Seiten ist oft irreführend. Das ist nämlich das Gewicht ohne alle Verbrauchsgüter, also ohne Essen, Trinken, Sonnencreme, Mückenschutz und so weiter und so fort. Niemand ist mit nur 15 Pfund auf einer Fernwanderung unterwegs! Außerdem wird für diese Rechnungen fast immer die gesamte (schwere) Schlechtwetterkleidung am Körper getragen, damit das Gewicht des Rucksacks schön leicht aussieht. Macht sich gut für den Blog, bringt aber nichts in der Wildnis, denn das Gewicht schleppt man ja auch dann mit sich herum, wenn es sich nicht im Rucksack befindet.

  2. Baseweight optimieren bedeutet, sich eine Ausrüstung zuzulegen, bei der jedes einzelne Stück auf Gewicht optimiert ist. Dazu gibt es eine nahezu unendliche Anzahl von Webseiten und Videos, auf denen man sich ansehen kann, was irgendjemand über diesen oder jenen ultraleichten Rucksack denkt, welcher Schlafsack noch 100 Gramm einspart und mit wie wenig Zelt man durch den Schneesturm kommt. Das ist gut, und das zu beherzigen ist eine gute Vorbereitung, aber es beantwortet nicht die Frage, was denn tatsächlich gebraucht wird.

  3. Baseweight alleine ist es nicht! Ohne Essen und Trinken geht es nicht, und auch die anderen Verbrauchsgüter werden gebraucht. Deshalb reicht es auch nicht, das Baseweight zu optimieren, es braucht eine umfassendere Strategie, wie der Rucksack leicht bleiben soll.

An meiner Pack-Strategie hat sich nach den Erfahrungen des letzten Jahres viel geändert. Damit es auch hilfreich sein kann, schreibe ich das hier vergleichsweise detailliert auf. Wem es zu viel ist, der kann die folgende Auflistung auch gerne überschlagen :-):


  1. In den ersten Wochen passt sich der Körper an die ständige körperliche Belastung an. Der so oft beschriebene Hiker Hunger setzt erst danach ein! Deshalb ist es völlig in Ordnung, am Anfang weniger Essen mitzunehmen, als man glaubt zu brauchen. Meine Rechnung im letzten Jahr waren 4000 Kalorien pro Tag, und einen Tag Reserve. Das macht dann ungefähr ein Kilo Essen pro Tag. Bei einer geschätzten Entfernung von 7 Tagen bis zum nächsten Lager sind das alleine 8 kg Essen! Mitgeschleppt hatte ich das alles, gebraucht habe ich es nicht. Als ich in Stehekin ankam, hatte ich noch 3 kg Essen übrig! Dieses Jahr werde ich entsprechend weniger mitnehmen.
    Netto-Einsparung: 3 kg!

  2. In Washington gibt es jede Menge Trinkwasser, alle paar Stunden kann man seine Flaschen auffüllen, jedenfalls im Juli. Es war absolut nicht notwendig, vier Liter Wasser zu tragen. Mit einem Liter komme ich bis zum nächsten Bach, ein weiterer Liter als Notreserve hätte gereicht. Das lässt sich sicher nicht auf alle Strecken verallgemeinern (kalifornische Wüste?), aber ich werde diesmal sehr viel genauer planen, wo ich wieder Wasser filtern kann, und weniger mit mir herumtragen.
    Netto-Einsparung: 2 kg!

  3. Sonnencreme ist wichtig für mich – aber nicht eine ganze Viertelliterflasche voll. 100 ml sollten reichen, bis dass es wieder etwas zu kaufen gibt. Und obwohl ich in fast jedem Urlaub After-Sun-Lotion gebraucht habe, werde ich sie diesmal nicht mitnehmen. Disziplinierter schmieren sollte das Thema Sonnenbrand erledigen.
    Netto-Einsparung: 0.6 kg!

  4. Kleidung ist wichtig, und Redundanz ist es auch – wenn die einzige Hose zerreißt, ist das schlecht. Aber zwei Hosen reichen aus … letztes Jahr hatte ich zwei lange Hosen und eine kurze Hose dabei, dazu eine Regenhose. Dieses Jahr werde ich mich in der Wüste mit einer langen und einer kurzen Hose auf den Weg machen.
    Netto-Einsparung: 0.6 kg!

  5. Für die unterschiedlichen Etappen braucht man unterschiedliche Ausrüstung. Letztes Jahr hatte ich das meiste im Rucksack dabei. Dieses Jahr plane ich, etliches mit einer Bounce Box vorauszuschicken. Neben der schon erwähnten Regenhose werde ich Eispickel, Microspikes und Neoprensocken zunächst nicht mitnehmen. Ob ich diese Schneeausstattung dann schon in den San Jacinto Mountains oder erst in der Sierra Nevada wieder tragen werde, mache ich vom Wetter abhängig.
    Netto-Einsparung: 1 kg!

  6. „Um auf Nummer sicher zu gehen“, hatte ich viele Dinge dabei, deren Wert eher psychologischer Natur war. Auf meine After-Sun-Lotion war ich oben schon eingegangen. Aber auch Bärenspray habe ich nicht gebraucht, und außer mir hatte es niemand dabei. Und zwei elektronische Kompasse reichen, der dritte (mechanische) kann hierbleiben. Und ein Pullover reicht zusammen mit meinen anderen Schichten voll und ganz aus, um bei -5° C einen ganzen Tag lang draußen zu sein; das habe ich in diesem Winter in der schwäbischen Alb ausprobiert. Der zweite Pullover kommt in die Bounce Box. Den Footprint für mein Zelt werde ich wieder mitnehmen; aber die Evazote-Matte unter der Luftmatratze bleibe zu Hause. Gegen ein Leck in der Luftmatratze schütze ich mich nur noch mit einem Päckchen Flickzeug.
    Netto-Einsparung: Noch mal über 1 kg!


Vielleicht denkt der eine oder andere jetzt, vielen Dank auch, so viele Einzelheiten hätte ich nicht gebraucht. Wenn man allerdings alles zusammenzählt, dann ist das Ergebnis erstaunlich. In Summe werde ich dieses Jahr mit fast 9 kg Gepäck weniger loslaufen. Das sind fast 20 amerikanische Pfund, oder 40% dessen, was ich letztes Jahr getragen habe! Hätte ich mir das gleiche im letzten Jahr überlegt, vielleicht hätte meine Wanderung anders geendet. Auf jeden Fall wäre es deutlich bequemer gewesen.

Die große Lektion: Kleinigkeiten sind wichtig beim Rucksack packen …

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