PCT 2022 Tag 74, 12.3 Meilen bis zum Zeltplatz unmittelbar vor dem Forrester Pass, PCT-Meile 778.5

Eigentlich hatte ich vor, am Tag meiner Whitney-Besteigung noch ein Stück weit Richtung Forrester Pass zu gehen und vielleicht am nächsten Tag diesen schon zu überqueren. Daraus wurde nichts, ich war erledigt, als ich vom Mount Whitney zurückkam und habe noch einmal in Crabtree Meadows übernachtet. Damit ist auch klar: ich werde heute nicht über den Forrester Pass gehen, erst morgen.

Die Pässe der High Sierra gehören zum schwierigsten, aber auch zum schönsten, das der PCT zu bieten hat. Sie sind hoch gelegen, oberhalb der Baumgrenze in der Hochgebirgs-Tundra aus Felsen, Eis, Schnee und Wasser, zeigen sehr ursprünglich, wie die Bergwelt aussieht, wenn sich die Gletscher zurückziehen. Sie ermöglichen das stete Pendeln zwischen der absolut kargen und zumindest auf den ersten Blick lebensfeindlichen Hochgebirgsgegend und den üppigen, grünen, bewaldeten Hochtälern der High Sierra mit ihren ebenso malerischen wie reißenden Gebirgsflüssen. Dies ist es, was ich in den nächsten Wochen vor mir habe. Das bedeutet aber: Wandern mit vollem Gepäck weit oberhalb meiner Komfortgrenze, meilenweites Bezwingen von Schneefeldern, Überquerung reißender Flüsse ohne Brücken, Steiltraversen an vereisten Hängen. Mit anderen Worten: mir stehen die mit weitem Abstand schönsten, aber auch schwersten Wochen auf dem PCT bevor. Der Forrester Pass ist der erste dieser legendären Pässe. Es folgen Glen Pass, Pinchot Pass, Mather Pass, Muir Pass, Selden Pass und Silver Pass. Danach Ausruhen in Mammoth Lakes. Und danach geht es dann über den Donahue Pass nach Yosemite …

Bei Bedarf kann man nach dem Forrester Pass noch einmal Richtung Independence, Lone Pine und Bishop absteigen. Das erfordert allerdings einen Umweg von 15 Meilen (7.5 Meilen hin und noch mal zurück), eine zweifache Überquerung des Kearsarge-Passes, um zum Onion Valley Campground zu kommen, und von da bis zu 60 Meilen Auto-Stop … die Wildnis ist auch deshalb wild, weil es schwierig ist, hinzukommen!

Nun gut, die Entscheidung für oder gegen den Kearsarge Pass muss ich erst morgen treffen. Heute geht es „nur“ bis zum Camp vor dem Forrester Pass, das auf etwa 3800 Metern Höhe liegt. Wenn ich es bis dahin schaffe, wird das die höchstgelegene Übernachtung des Trails!

Der Tag beginnt, ich hätte fast gesagt, wie gewohnt. Es gibt spannende Bäume, siehe oben, und einen Weg, der auf etwa 3400 Metern Höhe an der Vegetationsgrenze entlang verläuft:

Die Überquerung des Tyndall Creeks erweist sich dank des niedrigen Wasserstandes als überraschend einfach. Was den Kalifornien Angst einjagt – ein weiteres Dürrejahr mit rekordverdächtig niedrigen Schneefällen – ist den Wanderern ganz recht. Dazu kommt, dass alle Flüsse hier morgens weniger Wasser führen als abends – und es ist noch früh am Tag.

Einige Stunden später überquere ich eine Brücke der anderen Art:

Ja, die Fußspuren auf dem Schnee verraten, dass diese Brücke schon viele Wanderer ausgehalten hat. Aber der Schmelzwasserfluss unter der Schneebrücke zeigt ebenso unmissverständlich, dass die Tage dieser Brücke gezählt sind. Bleibt nicht zum letzten Mal die Frage: wird sie mich noch aushalten?

Es geht gut, und ich schaue mich in der Abenddämmerung um. Die nächsten beiden Bilder zeigen, was mich ab jetzt erwartet: Fels, Schnee, Eis, Wasser, Wolken, und Sonne! Ein bizarres Märchenland, das mich durch seine Fremdartigkeit bezaubert.

Mein Blick fällt nach vorn. Dort oben die linke der beiden Scharten, das ist Forrester Pass. Dorthin soll es morgen gehen – auf 4009 Meter Höhe, den höchsten Punkt auf dem PCT!

Von hier aus sieht es so aus, als ob mich auf dem Weg dorthin fast kein Schnee erwarten würde … als ich näherkomme, ändert sich dieses Bild allerdings:

Egal, diese Schneefelder sind erst morgen dran. Für heute suche ich mir einen Zeltplatz, und finde diesen königlichen Flecken in einem Steinring, der mich an Stonehenge denken lässt:

Ich ziehe mich (sehr) warm an, esse noch etwas, und lege mich in 3800 Metern Höhe schlafen. Es wird eine kurze Nacht werden. Ich will morgen zum Sonnenaufgang aufbrechen, um den Schnee am Pass möglichst fest vorzufinden.

1 Comment

  1. Elaina+

    Hallo Gregor, ich bin wirklich beeindruckt, wo du stehst und welche Ausdauer du haben musst, um das zu tun, was du tust. Und Ihre Fotos zeigen wirklich die Pracht und ermöglichen es mir, dem Betrachter, virtuell in diese Umgebung einzutauchen. Ich denke, du tust das nicht nur für dich, sondern auch für viele von uns, die es nie tun werden ! Dankbar, Elaina+

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