Als ich am Morgen aus meinem Zelt schaue, sind Liz und Dave bereits über alle Berge, und Gandalf ist im Aufbruch. Irgendwie sind die anderen Wanderer weniger kälteempfindlich als ich; als ich merkte, dass mir das Kondenswasser im Zelt heute on Form von Einsplättchen ins Gesicht fällt, habe ich dann doch den Sonnenaufgang abgewartet, bevor ich mich ins Freie getraut habe. Ich frühstücke alleine und fotografiere zumindest eines der schönen Adobe-Gebäude:
Beim Wasserlauffüllen begegnet mir Caretaker Steve.
Er erklärt mir, daß derartig aufwendig befestigte Goldgräberlager sehr selten sind. Meist bestanden diese Lager nur aus ein paar Zelten, aber da der hiesige Grabungsleiter seine frisch vermählte Frau aus San Francisco beeindrucken wollte, hat er sich ins Zeug gelegt. Genützt hat es ihm nichts – nach ein paar Monaten hat sie sich von ihm getrennt. Ob sie das Gesellschaftsleben der Großstadt denn doch attraktiver fand als das Leben im Goldgräberlager, oder ob der über zwanzigjährige Altersunterschied ausschlaggebend war, ist nicht berichtet. Die Nachwelt hat jedenfalls ein wunderschönes Ensemble Adobe-Gebäude erhalten.
Ich mache mich auf den Weg und nehme noch dieses Foto mit:
Unterwegs dann dieses Schild:
Ich fühle mich spontan an Dagobert-Duck-Zeiten erinnert. Kann es wirklich sein, dass man hier noch heute einfach so seinen Claim abstecken kann, ihn eintragen lassen, und dann nach Gold graben? Und womöglich behalten, was man findet?
Kurze Zeit später treffe ich auf Yoyo-Man. Er ist Geographie-Professor ob Phoenix und erklärt mir, dass man Inder Tat im Prinzip immer noch Claims anmelden kann. Allerdings ist die damit verbundene Bürokratie so aufwendig, dass es praktisch niemand mehr tut. Und wenn dann doch so ein Schild in der Landschaft steht, dann stammt der Claim meist noch aus den fünfziger Jahren. Diese alten Claims bleiben aber wirksam, solange man an der Erschließung des Geländes und einer möglichen Mine arbeitet. Wie bestellt kommen uns in diesem Moment drei ATVs mit Menschen entgegen, die dem Werkzeug nach gerade Gelände prospektiert haben.
Ich Frage Yoyo-Man, woher sein Name kommt. Er erklärt mir, dass er den Arizona-Trail in diesem Jahr in Etappen laufen will. Seine Professorentätigkeit hat sich so einrichten lassen, dass er nur montags bis mittwochs Vorlesungen halten muss. Von Donnerstag bis Sonntag wandert er, und zwar immer so, dass er mit seinem Auto an den Mittelpunkt der geplanten Wegstrecke fährt. Dann wandert er erst eine Strecke nach Norden, dann zurück zu seinem Auto, und dann eine Strecke nach Süden und dann zurück zu seinem Auto. Und danach fährt er zurück an seine Universität. So will er den Arizona-Trail in diesem Jahr insgesamt zweimal ablaufen – einmal hin und einmal zurück. Ich habe keine weiteren Fragen zu seinem Namen. Wir kommen an seinem Auto an, er schenkt mir noch einen Schokoriegel, und dann ist er auch schon weg – mit seiner Art zu wandern braucht er keinen schweren Rucksack.
Ich wandere weiter und finde einen großartigen Ausblick, der zur Abwechslung mal fotogen ist:
Mittags dann die Überraschung – ich habe Gandalf eingeholt! Siehe das Foto oben, und dieses Bild von ihm neben meinem Rucksack:
Wir machen zusammen Pause und stellen fest, dass wir beruflich beide mit Röntgenoptik zu tun hatten. Ich in meiner Tätigkeit als Stratege bei der Carl Zeiss SMT, er hat am Spiegel des Röntgensatelliten Chandra gearbeitet. Die Welt ist klein!
Am Nachmittag zeigt mir dann noch dieser Kaktus, dass der Frühling tatsächlich kommt:
Eine letzte Überraschung hält der Tag noch bereit. Als ich nach einem Nachtlager Aussicht halte, begegne ich noch einmal Liz. Sie wird ihre siebentägige Wanderung am nächsten Morgen nach etwa 100 Meilen beenden, so dass es ihre letzte Nacht im Zelt ist. Wir reden noch bis zum Sonnenuntergang, dann werden wir beide nach fast 19 Meilen schlagartig müde und verkriechen uns in unsere Zelte.
Dies war bisher mein längster Tag.