PCT Tag 9, Zero in Stehekin

Ich verbringe den Tag in Stehekin mit Joe und Y. In wunderschöner Umgebung vergeht die Zeit mit vielen Gesprächen. Außerdem werden die Blogposts für die ersten fünf Tage fertig. Nils, mein ältester, wird sie online stellen, wenn ich schon wieder unterwegs bin und keinen Netzwerkzugang mehr habe.

Ein Gespräch möchte ich hier aufgreifen. Es geht um die Motivation zum Wandern, und darum, wie unterschiedlich die ist. Da gibt es die Athleten. Sie möchten etwas besonderes erreichen – die schnellste Zeit, die jüngste Thruhikerin, und so weiter. Dann gibt es, vergleichbar zum Marathonlauf, diejenigen, die vor allem ankommen wollen. Allerdings ist der PCT kein Marathon. Es geht eben nicht darum, in einer kontrollierten Umgebung in einer überschaubaren Zeit eine klar umrissene sportliche Leistung zu vollbringen. Bei keinem Marathon spielen Waldbrände, Bären und Schneestürme eine Rolle. Ganz zu schweigen von Postöffnungszeiten, Wegsperrungen und der Bereitschaft vorbeikommender Autofahrer, Anhalter mitzunehmen. Warum dann trotzdem der Fokus vieler Wanderer aufs Ankommen, anstatt aufs Unterwegssein? Bis hin zu dem Punkt, wo im Oktober noch schnell versucht wird, bei Nebel und Regen kurz vor dem drohenden Schneesturm noch die kanadische Grenze zu erreichen, auch wenn das lebensgefährlich ist?

Wie sehr bin ich daran gewöhnt, den Erfolg eines Projektes so ausschließlich an der Zielerreichung zu messen, dass ich darüber vergesse, dass der größte Teil des Lebens zwischen den Meilensteinen stattfindet? Und ist da nicht meist das nagende leere Gefühl nach dem Erreichen des Zieles, die Frage, ob das jetzt etwa alles gewesen sein soll?

Für Joe und Y sind diese Fragen gerade jetzt stark im Vordergrund – es geht zunächst nicht weiter. Für mich sind sie nicht weniger wichtig. Ich bin langsam, vergleichsweise schwach und untrainiert, und nicht der jüngste. Was, wenn ich nicht ankomme – war dann alles vergebens?

Wie es mir emotional wirklich gehen wird, werde ich lernen, wenn es so weit kommen sollte. Aber als ich mich mit diesen Fragen bei der Vorbereitung auseinandergesetzt habe, ist mir ein Zitat aufgefallen von GW Cooks, der in seinem Buch „100 days walking Te Araroa“ feststellt: „The destination is the least important aspect of this journey, other than providing the direction to point myself.“ – „Das Ziel ist der unwichtigste Aspekt dieser Reise, ausser, dass es mir eine Richtung gibt.“

Mit dieser Philosophie ist jeder Tag auf dem Weg ein Gewinn, jeder Schritt ein Sieg. Es kommt nicht mehr auf den Vergleich mit anderen an, sondern darauf, sich in die Erfahrung hineinzubegeben. Go with the flow – don’t push the river. Geh den Weg und sieh, was er bereithält.

So will ich wandern.

1 Comment

  1. Anton Wittmann

    Sehr schöne Gedanken, lieber Gregor. Es ist mir eine große Freude, und von Dir ein großes Geschenk, Dich auf Deinem Weg begleiten zu dürfen. Danke für den Einblick in Deine Gedanken und das, was Dich bewegt. Viel Freude auf Deinem weiteren Weg…. Anton

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