Mit frischer Kraft starte ich zur nächsten Etappe. Ab hier ändert sich die Landschaft. Die nächsten zwei Tage werde ich entlang des Bridge Creeks fast 1.000 Meter absteigen, bis zu seiner Mündung in den Stehekin River. Der Fluss wird vom Schmelzwasser zahlreicher Schneefelder und einiger Gletscher gespeist. Auf weiten Strecken ist das Flusstal eine enge Schlucht mit steil aufragenden Felswänden, die auf den unterschiedlichen Höhen durch sehr unterschiedliche Vegetation führt. Am meisten beeindruckt mich die Höhenlage um ca. 900 Meter. Hier geht es durch uralten Zedern- und Zypressenwald, mit riesigen jahrhundertealten Bäumen, häufig moosbewachsen.
Der Weg führt grossteils durch den Nationalpark Northern Cascades, und ist hier hervorragend gepflegt.
Umso gespannter bin ich auf die North Fork Bridge. Diese Brücke wurde nämlich bei der diesjährigen Schneeschmelze hinweg geschwemmt, und durch eine „nur von Fußgängern passierbare“ Notbrücke ersetzt (im allgemeinen ist der PCT mit Pferden passierbar, wenigstens in der Theorie). Bevor ich dort ankomme, stehen mir allerdings noch ein paar andere Brücken bevor:
Eine dieser Brücken ist unpassierbar, da der Zugang kürzlich durch einen Steinschlag zerstört wurde. Also gehe ich durch die eigentlich für Pferde gedachte Furt und meistere damit meine erste Flussdurchquerung. Das Wasser ist zwar nur etwas mehr als knöcheltief, aber die Strömung zieht überraschend stark an den Beinen.
Schließlich komme ich an der North Fork Bridge an. Hiker-Jargon: Indiana Jones Bridge! Und genauso abenteuerlich wackelt sie auch beim Darübergehen. Mit Rücksicht auf meine Schwiegereltern habe ich das nur fotografiert und nicht gefilmt.
Ich hätte damit gerechnet, auf diesem Stück Wegs Bären zu begegnen – die haben sich bei mir zurückgehalten, während einige andere Wanderer an diesem Tag auf diesem Weg Bären begegnet sind. Vielleicht wirkt mein mitgeführtes Bärenspray prophylaktisch? Jedenfalls sehe ich stattdessen einen wunderschönen, handtellergroßen Schmetterling, der sich minutenlang zur Fotosession in meiner Nähe aufhält.
Der Tag endet im Bridge Creek Camp, wo völlig untypisch gleich drei Männer mit Namen Gregor (beziehungsweise Greg) aufeinandertreffen. Einer der beiden anderen ist 62 Jahre alt und hat an diesem Tag 26 Meilen mit vollem Gepäck zurückgelegt. Er hat allerdings auch schon am Boston Marathon teilgenommen und eine Zeit unter 3:30 gelaufen. Ein weiteres Mal lerne ich, wie weise es ist, seinen eigenen Weg zu gehen, anstatt zu versuchen, anderen zu folgen, die mit ganz anderen Voraussetzungen unterwegs sind. Und ich treffe im Bridge Creek Camp wieder auf Y, die einen Tag vor mir gestartet ist, und der ich schon am Castle Pass Camp begegnet war. Ich dachte, sie wäre mir meilenweit voraus, doch sie hat sich verletzt, war nur sehr langsam voran gekommen, ist im Gegensatz zu mir auch das Stück vom Hart’s Pass zum Rainy Pass gelaufen, und so treffen wir uns wieder. Ich frage, wie sie es bis hier geschafft hat, und sie sagt, sehr langsam, sehr früh aufstehen und sehr lange gehen … ich bin tief beeindruckt. Als ich am nächsten Morgen um fünf aufwache, ist sie schon unterwegs.
Hi, Gregor, sehr eindrucksvoll Dein Blog. Weiterhin gutes Gelingen. Und schon ist über 1 Woche vergangen.