Maximiliansweg Tag 1: Zum Staufner Haus

Der Maximiliansweg folgt der Reiseroute, die der bayrische König Maximilian 1858 zu Fuß beschritt, um sein Land besser kennenzulernen. Er beginnt in Lindau, führt dann nach Bregenz und von dort in die Allgäuer Voralpen. Weiter geht es über Füssen zur Benediktenwand, und dann über Tegernsee und Schliersee bis nach Berchtesgaden am Königssee. Einige Wegabschnitte liegen heute in Österreich, lagen aber zu Maximilians Zeiten noch in Bayern. Ich will auf deutschem Boden bleiben und steige deshalb „quer“ ein am dritten Tagesabschnitt.

Morgens um sieben starte ich in Aalen mit dem Zug, und um 10 Uhr komme ich pünktlich und bei Regen in Oberstaufen an. Der Weg führt mich zunächst durch den Ort und durchs Tal.

Danach geht es über Steibis zur Talstation der Hochgratbahn. Diese ist geschlossen, aber ich wollte sie ohnehin nicht benutzen. Inzwischen hat der Regen aufgehört. Bei wolkenverhangenem Himmel verlasse ich zum ersten Mal die Teerstraße und beginne den Aufstieg zum Staufner Haus auf einer Schotterpiste.

Es gibt kein Vertun: Dies ist nicht der PCT. Der amerikanische Fernwanderweg ist nämlich für Pferde gemacht und hat kaum Steigungen über zehn Prozent. Auf dem Weg zum Staufner Haus bin ich sofort mit der doppelten Steigung konfrontiert. Für Pferde nicht gangbar, für mich die erste Überraschung!

Die zweite Überraschung ist die Breite des Wanderwegs. Ein anderer Wanderer beschreibt ihn als Autobahn. Auch wenn hier nur mit Sondergenehmigung gefahren werden darf, vermittelt die Breite das Gefühl, auf einer Straße zu gehen. Ein Blick auf die Karte erhellt das Bild: Der Weg dient in erster Linie als Zufahrt zur Bergstation der Hochgratbahn und zum Staufner Haus. Es ist eben kein eigens angelegter Wanderweg. Und auch wenn der Weg höher und höher hinaufführt, entsteht nie der Eindruck, die Zivilisation verlassen zu haben. Zu zahlreich sind die elektrischen Weidezäune, die Schuppen, die kleinen Höfe.

Ich denke an Christine Thürmers pointierte Zusammenfassung: wer in Amerika wandert, begibt sich in eine Naturlandschaft. Wer in Deutschland wandert, erobert eine Kulturlandschaft. Ich beginne zu ahnen, was sie meint, und beschließe, für die Erfahrung offen zu sein. Jede Medaille hat bekanntlich zwei Seiten! Und so freue ich mich über eine kurze Pause als einziger Gast in einer kleinen Bergalpe, wo mich die Wirtin mit Getränken versorgt. Das gibt es auf dem PCT nicht!

Am mittleren Nachmittag komme ich im Staufner Haus an. Das Haus gehört zum DAV und ist über 100 Jahre alt. Von außen sieht man das auch. Im Inneren dann meine Überraschung: mich erwartet eine blitzsaubere Hütte mit gefühlt nagelneuen Sanitäranlagen und einem sehr freundlichen Pächter.

Nachdem ich mein Bett im winzigen Doppelzimmer bezogen habe, gehe ich in die Gaststube. Die nächste Überraschung ist die umfangreiche Speisekarte. Ich hatte mit einem Tagesessen gerechnet, stattdessen gibt es allein vier vegetarische Essen zur Auswahl. Ich nehme Platz, lasse mir Zeit, und bekomme das Geschenk des Tages: Nach 17:00 klart es auf, und mich erwartet ein umwerfender Ausblick über die Weite des Allgäus, direkt aus den Panoramafenstern der Gaststube.

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