Maximiliansweg Tag 2: Über die Nagelfluhkette nach Sonthofen

Der zweite Tag beginnt zwischen Nebel und Erde am Staufner Haus, was ein paar ziemlich beeindruckende Talblicke ermöglicht. Siehe anbei!

Beim folgenden Aufstieg begebe ich mich dann in den Nebel, und dort bleibe ich für viele Stunden. Das Gipfelfoto vom Hochgrat – benannt nach der gleichnamigen Seilbahn? – gibt einen ganz guten Eindruck von der Atmosphäre des Tages. Anstelle von weit schweifenden Blicken und schneebedeckten Gipfeln gibt es nassweiche Wolken und Sicht unter 20 Metern.

Ich habe beschlossen, mich auf die Erfahrung einzulassen, egal was kommt. So genieße ich die Stille und die Einsamkeit, und das sehr eigenartige Gefühl, über einen Grat zu laufen, bei dem zu beiden Seiten etwa fünf Meter tiefer alles im Nebel versinkt. Der Gedanke drängt sich auf, dass dies eine recht gute Metapher für eine noch nicht lange zurückliegende Lebensphase ist. Wenn es in solchen Situationen gelingt, die Dinge zu nehmen wie sie sind und die eigenen Erwartungen anzupassen, kann man die sehr eigenartige Schönheit genießen. Der Versuch allerdings, die Situation den eigenen Erwartungen entsprechend zu gestalten, führt fast zwangsläufig in die Frustration … Lösungsorientierung bedeutet nicht immer, die Probleme zu bewältigen, sondern manchmal auch, sie einfach weiter existieren zu lassen und sich darauf einzustellen. Don’t push a river.

Als ich in diese Gedanken versunken vorwärts gehe, taucht wie zur Bestätigung, dass nicht alles planbar ist, im Nebel ein Tier auf. Es sieht nach einer Ziege aus, gibt aber einen völlig anderen Laut von sich, und ist kurz darauf wieder verschwunden. Nach einem Blick in die Wikipedia lerne ich, wie glücklich ich mich schätzen kann: mir ist eine der seltenen und scheuen Gämsen begegnet.

Der Weg führt weiter über einen Gipfel nach dem anderen; auf den Hochgrat folgt das Rindalphorn, dann der Gündleskopf und weiter der Buraplkopf. Ich möchte diese Nagelfluhkette unbedingt noch einmal ohne Nebel sehen, das muss fantastisch sein!

Aber heute stehen andere Erfahrungen an. Es liegt nämlich ab 1700 Metern bereits ein wenig Schnee, und die Feuchtigkeit in der Luft macht den Weg auch dort sehr glitschig, wo kein Schnee liegt. Ich komme sehr langsam voran, die Wanderstöcke sind unbedingt notwendig, um den durch den Rucksack sehr hoch liegenden Schwerpunkt sicher zu stabilisieren. Aber ich spüre, dass ich bei meinem Unfall in Washington etwas gelernt habe. Da ist mehr Wachsamkeit in mir, weniger getriebene Ungeduld und mehr Fokus auf den unmittelbar nächsten Schritt. Ist dieser gut gewählt, bringt er mich voran. Ist auch nur ein einziger Schritt schlecht gewählt, kann mich das Monate kosten, wie in Washington geschehen. Demgegenüber erscheint der Zeitvorteil eines hastig gewählten Schrittes nicht der Rede wert. Ob diese Philosophie auch im Management die Alltagshektik des Hamsterrades ersetzen könnte?

Wie zur Mahnung passiere ich ein Kreuz, das einem hier abgestürzten Wanderer gedenkt. Bei gutem Wetter habe ich mich an solchen Stellen oft gefragt, wie es geschehen konnte, dass hier jemand abgestürzt ist. Beim heutigen Nebelwetter fällt es viel leichter, die mögliche Gefährlichkeit der Stelle zu erkennen …

Das Vorankommen bei diesem Wetter ist langsam. Ich möchte nicht auf dem Berg in die Dunkelheit kommen, deshalb beschließe ich um vier Uhr am Nachmittag, früher ins Tal abzusteigen als eigentlich geplant. Bevor es so weit ist, reißt an einer etwas unter 1600 Metern liegenden Stelle der Nebel etwas auf und taucht die tiefer liegenden bewaldeten Hänge in ein märchenhaftes Licht.

Dann biege ich an einem gut beschilderte Abzweig in Höhe der verlassen wirkenden Gatter-Alp vom Hauptweg ab – und stehe zwar nicht mehr im Nebel, aber trotzdem im Nirgendwo. War der Weg bis jetzt hervorragend beschildert, so bin ich für die nächsten zwei Stunden in Sachen Navigation auf mich selbst gestellt. Google Maps ist mangels Netzwerk keine Hilfe. An dieser Stelle macht sich die Rother- App verbunden mit dem GPS meines Handys bezahlt. Die Offline-Karten sind detailliert und genau, so dass ich einen zunächst schwer zu erkennenden und offenbar seit Jahren nicht gepflegten Weg erkennen und verfolgen kann. Und tatsächlich begegnet mir dabei eine zweite Gämse!

Abends um sechs erreiche ich im Tal die Bushaltestelle an der Gunzesrieder Säge. Leider eine dreiviertel Stunde nach Abfahrt des letzten Busses … so verlängert sich der Tag um weitere neun Kilometer, bis dass ich nach über zwölf Stunden endlich in meinem Hotel ankomme. Vollkommen erschöpft schlafe ich ohne Abendessen ein.

Zeit für einen kurzen Werbeblock. Diese Wanderung habe ich mit dem Rother-Führer Maximiliansweg vorbereitet, und ich kann ihn wirklich empfehlen. Mit dem Kauf erhält mank kostenlos zusätzlich die Zugangsberechtigung für die sehr guten Karten auf der Rother-App, die dann auf einem Handy mit GPS navigiert werden können. An diesem zweiten Wandertag haben mir diese Karten Stunden des Umherirrens erspart. Einzig die GPS-Tracks könnten etwas detaillierter sein, aber es reicht aus, um die richtigen Abzweigungen zu finden.

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1 Comment

  1. Daniel Boecker

    Freut mich dass du wieder fit bist! Viel Spaß (und hoffentlich noch einige Tage gutes Wetter) bei deiner Wanderung in den Alpen. Gruß Daniel

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