Remstalweg Teil 1: Von Fellbach nach Essingen

Tag 1: Von Fellbach nach Beutelsbach

Auf dem Weg zur ersten Tagesetappe fährt mich der Zug durch das dicht besiedelte und industrialisierte Remstal. Den Blick aus dem Fenster kenne ich. Sowohl die vierspurige Straße als auch die Bahnlinie sind der Hauptverbindungsweg von Aalen nach Stuttgart. Ich bin hier schon oft gefahren, nur dass sich vor dem Fenster ein interessanter Wanderweg verbergen könnte, war mir bisher entgangen. Etwas skeptisch steige ich in Fellbach aus dem Zug.

Zunächst bietet sich ein Bild, das meine Vorurteile bestätigt. Allerdings beginnt der Wanderweg ja auch nicht an der S-Bahnstation, sondern, wie ich nach einem Blick auf die Karte feststelle, an der U-Bahn-Station. Diese befindet sich in etwa 2 km Entfernung. Ich mache mich auf den Weg.

Die U-Bahn Station Fellbach ist die Endhaltestelle einer Linie aus Stuttgart. Dort angekommen, suche ich nach einem Hinweis auf dem remstal weg. Als ich ihn finde, muss ich über das implizite schwäbische Understatement doch schmunzeln. Hier beginnt ein über 200 km langer Fernwanderweg. Und alles, was ich finde, ist ein kleines Schild mit dem entsprechenden Logo, das nur in eine Richtung zeigt – an allen anderen Stellen auf dem Weg, an denen sich das gleiche Schild befindet, zeigen Pfeile in beide Richtungen! Das ist alles. Keine Tafel, kein Satz wie „Beginn des Remstalweges“, gar nichts. Nur ein Pfeil, der nur in eine Richtung zeigt! Es fühlt sich an, als ob ich bereits jetzt Insider eines gut gehüteten Geheimnisses geworden bin …

Ich sehe mich um. Hier zeigt sich Fellbach von seiner Schokoladenseite. Eine alte Kirche, ein Schloss, ein paar Restaurants. Der Weg führt auch gleich durch Schloss, und dann bergauf. Ich gehe los.

Nach wenigen Minuten ändert sich das Bild vollkommen. Ich verlasse die Ortschaft und betrete die Weinberge. Ich wusste, dass es wirtenberger Wein gibt. Allerdings hatte ich mir nie klar gemacht, wo er eigentlich wächst. Das soll sich jetzt ändern. Stundenlang laufe ich durch abgeerntete Weinreben, an denen sich immer wieder einzelne übrige Trauben befinden. Die Proviantfrage für heute ist aufs beste geklärt!

Einmal oben angekommen, bieten sich weit schweifende Blicke über das Remstal und nach Stuttgart. Nur eine Stunde Fußweg entfernt von der Bahnlinie liegt eine Landschaft, die ich in zehn Jahren Wohnen und Arbeiten in Schwaben noch nie gesehen hatte. Die eigene Heimat steckt voller Überraschungen!

Dem Weg zu folgen erweist sich als weitgehend problemlos. Neben den vielen Schildern in der Natur helfen mir dort, wo dann doch mal eine Abzweigung unklar ist, die elektronischen Karten auf https://remstal.de/natur/wandern/remstalweg#/article. Meine mitgebrachte Papierkarte brauche ich heute und in den nächsten Tagen nicht.

Nachmittags führt der Weg durch die Y-Burg oberhalb von Stetten. So merkwürdig der Name, so merkwürdig das Gebäude: ein kleines Schloss, das Ruine ist, weil es aus irgendeinem Grund nicht zur Fertigstellung kam. Dafür wurde am die Ruine vor nicht allzu du langer Zeit runderneuert. Ein schöner Ort für eine Pause, und die Ausstellung der Skulpturen eines örtlichen Künstlers geben dem Ort zusätzliches Flair.

Am vorgesehenen Ende der Tagesetappe komme ich durch das von vielen malerischen Fachwerkhäusern geprägte Strümpfelbach. Ich beschließe, noch etwas weiter zu gehen, und verlasse den Weg erst in Beutelsbach nach etwa 20 km. Durch das vorweihnachtlich geschmückte Fachwerkstädtchen gehe ich zum Bahnhof und steige in die S-Bahn. Ein hervorragender Einstieg, der Appetit auf mehr macht!

Tag 2: Von Beutelsbach nach Schorndorf-Steinmäurich

Die Kulturlandschaft bleibt sich treu. Einen weiteren Tag lang gibt es Weinberge, Skulpturen und Ausblicke. Diesmal ist es ein anderer, wiederum lokaler Künstler. Anstelle von Bronzeguss gibt es behauen Sandstein.

Im Sommer gäbe es zusätzlich noch Möglichkeiten zur Weinverkostung. Ich bin aber leider in Januar unterwegs…

Am Ende der Etappe beschließe ich, nicht auf den Bus zu warten, sondern zum Bahnhof Schorndorf zu wandern. Belohnt werde ich mit einem Blick auf den absolut sehenswerten Marktplatz. Wenn ich wieder komme, nehme ich mir vor, werde ich mir Daimlers Geburtshaus ansehen.

Tag 3: Von Schorndorf-Steinmäurich nach Lorch

Der Weg führt zunächst wieder über den Schorndorfer Marktplatz hinauf zum Einstiegspunkt des Remstalweges. Von dort geht es weiter nach Osten bis nach Niederkirneck. Auf dem Weg wechselt das Thema vom Wein zu den Staufern. Die Dreikaiserberge kommen in den Blick, ein Abstecher zum Wäscherschloss wäre möglich, in Lorch wartet im alten Kloster die Grablege dieses alten Königsgeschlechts. Wäre ich zum Urlaub machen hier, würde ich mir dafür definitiv Zeit nehmen. Allerdings ist es für mich ja vor allem Konditionstraining, und so beschließe ich, später noch mal herzukommen.

Wegen des Wetters gibt es heute nur ein Bild, und zwar vom Hohenstaufen.

Tag 4: Von Lorch nach Weiler-in-den-Bergen

Von Lorch aus gehe ich wieder hoch nach Niederkirneck, und wende mich dann weiter nach Osten. Der Weg führt zunächst über einen öffentlichen Weg durch das Gelände des privaten Golfplatzes. Lachen muss ich über die Schilder, die Wanderer davon abhalten sollen, die Privatwege zu betreten: „Fliegende Golfbälle, Achtung Lebensgefahr!“ Wie gut, dass die Golfbälle wissen, wo sie in der Luft stoppen müssen, um nicht aus Versehen einen Wanderer auf dem öffentlichen Weg umzubringen! Danach gibt es noch zweimal Skulpturen unterschiedlicher Künstler.

Und mitten in die Natur hat sich ein verwitterter Strandkorb verirrt …

Danach eine weitere Überraschung. Der Weg führt durch einen Wald, der im kalten Krieg als Militärgelände diente. Von der Nutzung als Munitionslager zeugen zahlreiche verlassene Bunker, die heute von Fledermäusen nachgenutzt werden. Lost Places fast vor der Haustür!

Meine Tagesetappe endet nach Einbruch der Dämmerung im beschaulichen Weiler-in-den-Bergen.

Tag 5: Von Weiler-in-den-Bergen nach Essingen

Bei Tageslicht ist Weiler ein wirklich schönes Dörfchen vor den Toren von Schwäbisch Gmünd. Die katholische Kirche vereint Steinmauern aus der Stauferzeit, einen wesentlich neueren Fachwerkturm und ein inneres, das zuletzt in den achtziger Jahren sehr geschmackvoll renoviert wurde.

Wie hübsch das alles ist, ist wohl auch den Bewohnern klar. Und so haben sie mitten in die Landschaft einen Bilderrahmen zum Durchfotografieren gestellt.

Der Weg führt Richtung Heubach und wird anspruchsvoller. Durch verschneiten Wald steige ich erst in der Sonne auf, und dann im Schatten ab.

Der Abstieg ist vereist, es geht langsam voran und ist nicht ungefährlich. Vor dem Abstieg gibt es allerdings noch eine tolle aussicht aufs winterliche Heubach:

Auf der anderen Seite von Heubach geht es zum Rosenstein hinauf, dort durch den Schnee und anschließend durch die große Scheuer hinunter nach Lautern im Tal. Im Sommer ein wunderschöner Weg mit Felsen und Höhlen und Aussichtspunkten; im Januar eher gefährlich, weil stellenweise sehr steil und rutschig.

Ich beende den Tag auf dem direkten Weg von Lautern zur Bushaltestelle in Essingen.

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