Der Weg führt weiter den Berg hinab. Immer wieder sind Schneefelder zu überwinden. Ich beschließe, meine Microspikes wieder anzuziehen, als es passiert: eine ungeschickte Handbewegung, und das Täschchen kullert den Berg herab. Entsetzt blicke ich hinterher – zehn Meter tiefer am Steilhang bleiben meine Spikes an einem Baum hängen.
Es hilft nichts. Pace und Smiles haben sich am Morgen verabschiedet, ich bin auf mich gestellt. Ohne Microspikes komme ich den Berg nicht wieder sicher herunter. Also klettere ich auf allen Vieren den Hang hinunter, hoffe, dass das Totholz nicht gerade jetzt bricht, und hole meine Spikes zurück. Nach einigem Rutschen ist es geschafft … nochmal gut gegangen.
Der Abstieg hat es in sich, aber mit den Spikes ist er gut zu schaffen. Ich kreuze nochmals Highway 2 und gehe dann in das Gebiet, in dem letztes Jahr das Bobcat-Feuer gebrannt hat. Ich betrete einen Schwarzweiß-Film. Asche vermischt mit Sand färbt den Boden grau, von vielen einstmals stolzen Kiefern sind nur verkohlte Stammreste übrig. Das Unterholz fehlt ganz. Die Gegend wirkt so apokalyptisch, dass ich noch nicht einmal fotografiere. Erst später, als wieder etwas Grün zu finden ist, mache ich ein Bild, siehe oben. Doch der schöne Schein ist trügerisch: bei der Pflanze handelt es sich um Poodle Dog Bush. Die Samen schlummern über Jahre im Erdboden und werden erst durch ein Feuer aktiviert. Dann schießt die Pflanze als Erstbesiedler scheinbar überall gleichzeitig aus dem Boden. Es handelt sich um das giftigsten Kraut, das in Kalifornien wächst. Selbst die Berührung eines Kleidungsstücks, das mit Poodle Dog Bush in Berührung gekommenen ist, kann dafür empfindliche Menschen wochenlang ins Krankenhaus bringen!
Ich umgehe die Pflanze mit großem Respekt.
Etwas weiter sieht der Wald etwas weniger bedrohlich aus – einige Kiefern haben noch Nadeln, vielleicht erholen sie sich noch.
Die Tiere jedenfalls haben den Wald schon wieder in Besitz genommen. Mir gelingt ein Bild von einem Reh:
Auf einem Parkplatz treffe ich zwei Tageswanderer. Wir reden eine Weile über das Leben auf dem PCT – und die beiden schenken mir eine Orange! Frisches Obst ist bei Fernwanderern heiß begehrt, weil man es wegen des großen Gewichts schlecht mitnehmen kann. Während wir reden, kommt Mike aus dem Wald. Er wandert auch auf dem PCT, und ist – Seltenheit! – in meinem Alter. Wir verbringen die nächsten zwei Tage miteinander.
Der nächste Abschnitt des PCT ist zum Schutz einer inzwischen seltenen kalifornischen Froschart gesperrt. So gehen wir eine Umleitung über den noch nach einer Lawine gesperrten Highway 2 und den an und für sich schönen, aber durch das Feuer sehr in Mitleidenschaft gezogenen Buckhorn-Trail. Wir treffen am Cooper Canyon wieder auf den PCT und übernachten am gleichnamigen Camp.