Das Bild oben fasst die beiden Themen der ersten Hälfte des Tages gut zusammen: einerseits Wasserfälle und Stromschnellen, andererseits Bäume mit viel Charakter. Das sind beides Motive, die es auch in den letzten Tagen hätte finden können. Aber heute bin ich gut ausgeschlafen und muss keinen Pass bestehen, da fallen mir gute Fotomotive auf und ich nehme mir die Zeit zum fotografieren. Der Tag beginnt mit einem Wasserfall, der sich nicht auf einmal zu erkennen gibt, sondern erklettert werden will und immer wieder neue Perspektiven bietet. Siehe das Bild oben und die folgenden Bilder:
Der Weg folgt diesem Fluss und führt über eine Brücke:
Von dort aus sieht der Fluss mit seinen Stromschnellen dann so aus:
Und etwas später so:
Auf diesen Bildern sind Wald und Bäume Kulisse. Die Bäume aber haben es in sich; man muss nur hinsehen! Viele sind Jahrhunderte alt und haben in dieser Zeit viel erlebt – Wind und Wetter, oft immer von der gleichen Seite, Feuer, Erdrutsche, teilweises absterben und gefressen werden, wieder neu ausschlagen und sich in dieser Umgebung behaupten. Manche erzählen solche Geschichten.
Dieser Baum etwa:
Der alte dicke Stamm ist halbtot und umgekippt, aber die Wurzeln halten noch in der Erde. Die Rinde, der lebendige Teil des Baumes, umfängt den Stamm nur teilweise. Und aus der Rinde sprießen neue, junge Triebe, so dass das ganze auf den ersten Blick wie ein junger Strauch aussieht! In mancher Hinsicht ist dieser Baum gleichzeitig tot und lebendig. Ich dachte immer, das wären unvereinbare Gegensätze!
Der nächste erzählt eine viel einfachere Geschichte:
Ich bin jung, hier ist es windgeschützt, und deshalb wachse ich geradeaus hoch der Sonne entgegen!
Der nächste sieht wieder ganz anders aus:
Dem Umfang des Stammes nach ist er sehr alt; aber sehr hoch ist er nicht. Ob das an fehlendem Wasser liegt? Oder ob an diesem Mikrostandort die Vegetationsperiode besonders kurz ist? Und woher kommt die Spaltung? Hat dieser Baum vielleicht einmal einen Blitzeinschlag überlebt?
Wieder eine andere Geschichte:
Dieser Baum ist abgestorben, umgefallen und quer über dem PCT gelandet. Ein Trail Maintenance Team hat einen Teil herausgesägt, um den Weg wieder frei zu machen. Ich bestaune den enormen Stammdurchmesser.
Nach so vielen Bäumen werfe ich einen Blick in den Wald.
Nur auf den ersten Blick sieht das so aus wie eine deutsche Forstwirtschaft. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass die Bäume sehr unterschiedlich alt sind. Und nicht in Harvester-kompatiblen Reihen angepflanzt, sondern dort, wo der Samen hingefallen ist. Und es gibt kein Unterholz, dafür Gras – was in der High Sierra sehr selten ist, denn dafür braucht es Wasser und Sonne. Viel häufiger sind Wälder mit staubigen, kahlen Böden – oder habe ich das nur so wahrgenommen, weil ich bisher in größerer Höhe unterwegs war?
Der Blick weitet sich, und ich merke, dass ich mich wieder einer Passhöhe nähere, diesmal dem Selden Pass. Ich verfolge die gleiche Strategie wie in den vergangenen Tagen: möglichst nah an die Passhöhe herangehen, dann zelten, und am nächsten Morgen den Schnee überqueren, solange er noch vom Nachtfrost hart ist. Doch diesmal erlebe ich eine Überraschung. Unmittelbar vor der Passhöhe liegen die Sallie Keyes Lakes, und die sehen ganz anders aus als die Seen vor den Passhöhen der vergangenen Tage:
Das sieht nicht nur sehr lieblich aus, das Wasser ist auch glasklar und voller Forellen, die sich gerne fotografieren lassen:
Begeistert suche ich einen Zeltplatz und finde diesen hier:
Und so endet der Tag mit einem Sonnenuntergangspanorama, das ich direkt aus meinem Zelt heraus beobachten kann:
Lieber Gregor,
Danke für deine Teilhabe an diesem Erlebnis. Bei soviel Schönheit geht mir gleich das Herz auf. Wunderbare Bilder. Was für eim Segen Stundenlang darin wandern zu dürfen.
Nicht stundenlang. Monatelang … Bin sehr dankbar.
Wenn ich richtig gerechnet habe, war das der 7. Juni. An dem Tag habe ich mittags den Evolution Creek überquert, sobo. Ich denke, irgendwo da müssen wir uns über den Weg gelaufen sein?