Lake Tahoe ist einer von den Orten, die den meisten Nicht-Amerikanern nur Schulterzucken entlocken, während sie für Amerikaner Sehnsuchtsorte für den Traumurlaub im Inland sind. Und das in diesem Fall auch noch sommers genauso wie winters! Lake Tahoe ist ein großer Gebirgsee auf ca. 2000 m Höhe, mit eiskaltem, kristallklarem, tiefblauem Wasser, umstanden von Bergen, die im Sommer bewandert und im Winter mit Skiern befahren werden wollen. Durch den See verläuft die Bundesstaatsgrenze zu Nevada, wo das Glücksspiel legal ist; die entsprechenden Casinos sind selbst für Fußgänger von South Lake Tahoe aus leicht zu erreichen. Das alles in wenigen Stunden Autofahrentfernung von den Bevölkerungszentren im Silicon Valley. Wer jetzt vermutet, dass dies kein billiger Ferienort ist, liegt richtig.
Andererseits: wo sonst heißt der Skilift „Himmlische Gondel“? Wo sonst gibt es am Privatstrand freien Eintritt, wenn man in einem Hotel wohnt, das sein Trinkwasser vom Eigentümer eben dieses Strandes bezieht? Wo sonst kann man für $15 in einem netten Familienbetrieb Kopf- und Barthaar fachmännisch gestutzt bekommen? Wo sonst gibt es in der Pizzeria täglich Live-Musik? Und wo sonst erzählen die Starbucks-Baristas begeistert von der Unterstützung, die sie von ihrem Arbeitgeber als Mitglieder der LGBTQ+-Community bekommen?
Mich zieht die Stadt mit ihren schönen Seiten und mit ihren Widersprüchen in ihren Bann, und ich bleibe deutlich länger, als das für mein Budget gut ist (insbesondere die Nähe zu den Casinos erweist sich als tückisch…). Aber einen ganzen Tag lang am Strand des Sees den Gänsen (!) zuzusehen und den Wellen? Und am nächsten Morgen vom Manager des Driftwood Cafe als alter Bekannter begrüßt zu werden, und dann mit dem französischen Arzt, der seine Schulterverletzung von der PCT-Wanderung hier auskuriert, über die Zukunft Europas zu philosophieren? Viel besser kann das Ausruhen für den nächsten Abschnitt der Wanderung nicht gelingen.