PCT 2022 Tag 129, 19.1 Meilen bis Belden, PCT-Meile 1287

Ich wache in meinem Zelt auf, in einem Vorgarten in Quincy. Zum ersten Mal habe ich bei einem Trail Angel übernachtet. Er hatte Fahrdienste auf Far Out angeboten, wir hatten sie vorgestern gern wahrgenommen, und gestern dann sind wir auf sein Angebot zurückgekommen, bei ihm zu übernachten. Insgesamt hatte er vier Gäste; zwei in Zelten im Vorgarten, einer ohne Zelt, aber auch im Vorgarten, und noch einer mit Isomatte auf dem Fußboden im Wohnzimmer. Jeder von uns hat eine warme Dusche bekommen, mit Handtuch. Er macht dies jeden Tag während der Wandersaison, seit über 15 Jahren. Und wenn er keine Wanderer beherbergt oder fährt, hilft er, den Trail in Stand zu halten.

Ich schreibe hier bewusst keinen Namen auf; ich weiß nicht, ob ihm das recht wäre. Er ist bescheiden und lebt bescheiden, kein reicher Mensch, aber einer, der gerne gibt, was er hat. Und solche Menschen habe ich viele getroffen. In allen Städten, unterwegs, immer wieder. Ein anderer Wanderer hat gesagt: Der Trail lässt mich wieder an das Gute im Menschen glauben. Das klingt etwas kitschig und abgedroschen, auf deutsch noch mehr als auf englisch, aber es gibt meine Erfahrung trotzdem ganz gut wieder. Insbesondere die immer wiederkehrende Überraschung, das ungläubige Staunen, wenn es mal wieder so weit ist, dass mir ein völlig Fremder etwas Gutes tut.

Nach dem Frühstück fährt unser Trail Angel uns wieder zum Einstieg in den Trail. Der Tag heute wird lang und hat es in sich: Der Weg nach Belden führt kontinuierlich bergab, insgesamt 5761 Fuß, das sind etwas über 1750 Meter. Das Bild oben vermittelt einen ersten Eindruck der Landschaft: Frische Brandgebiete, manchmal noch vollständig kahl, manchmal schon wieder mit Gräsern und Blumen überwachsen.

An den Randlagen gibt es manchmal auch grüne Bäume zu sehen:

Das ist ein Tag, um den Klimawandel zu reflektieren. Hier bedeutet das: Mehr und größere Feuer. Dadurch nimmt die abgebrannte Fläche jedes Jahr zu. Die Regeneration der Wälder nach den Bränden dauert bei der kurzen Vegetationsperiode hier oben etwa 150 Jahre. So traurig das Bild eines abgebrannten Waldes ist, die volle Wahrheit ist noch deutlich trauriger: So grün wie dieses Jahr wird der PCT für Jahrhunderte nicht mehr sein.

Der Tag bleibt bestimmt vom Kontrast zwischen verbranntem Holz und frischem Grün. Manchmal dominieren die Blumen:

An anderen Stellen gibt es fast nur verbranntes Holz:

Ich versuche, den eigenartigen Kontrast zwischen kürzlicher Katastrophe und unbändiger Lebenskraft einzufangen:

Der Tag wird lang. Irgendwann wird es Abend, und ein Blick auf die Uhr zeigt, dass es knapp wird: Wir hatten damit geplant, heute Abend in Belden etwas zu essen zu bekommen („Town Food!“), aber nach Far Out schließt das einzige Restaurant um 20:00. Eigentlich nicht mehr zu schaffen – es sei denn, man rennt. Und so sprinten wir die letzten tausend Höhenfüße den Berg hinunter, mit vollem Gepäck, auf holprigem Weg. Wenn ich mich recht erinnere, waren wir zunächst zu viert. Nachdem allerdings erst meine Wasserflasche und dann mein Zelt beschließen, bei diesem ständigen Geholpere nicht in meinem Rucksack bleiben zu wollen, muss ich notgedrungen anhalten und neu verstauen – dann geht es weiter. Völlig außer Atem komme ich in Belden an, hole die anderen ein – es könnte klappen, noch ist es nicht 20:00.

Belden selbst erweist sich als nicht viel mehr als ein Wohnmobilstellplatz und ein Wasserkraftwerk. Das Restaurant gehört zum Wohnmobilstellplatz. Davor stapelt sich wenigstens ein Dutzend Rucksäcke, Wanderer überall – und die Tür steht offen! So endet der Tag mit High-Fives, einem der besten Salate des Trails – und reichlich kühlem Bier. Die Wirtin meint ganz entspannt, so lange Wanderer da sind und bestellen, würde sie auch ihre Türe geöffnet halten … es wird zehn Uhr abends, bevor wir uns verabschieden und einen Zeltplatz suchen. Ziemlich spät – denn morgen geht es die gleiche Menge an Höhenmetern wieder herauf, die wir heute heruntergestiegen sind.

Bevor ich einschlafe, denke ich an meine Knie. Ich bin gerade über 1700 Meter bergab gestiegen, stundenlang, mit wenigen Pausen und ohne Gegenanstieg. Die letzten 300 Höhenmeter bin ich gerannt. Insgesamt waren es es über 30 Kilometer Strecke, über schmale, holprige Bergpfade durch den Wald. Und meine Knie sagen mir – nichts. Keine Schmerzen. Alles gut. Mein Körper ist in so gutem Zustand, wie er es in diesem Leben wahrscheinlich überhaupt noch nie wahr. Ich bin sehr dankbar für meinen Sporttherapeuten, der mich auf diese Wanderung vorbereitet hat. Und ich freue mich daran, wieviel mein Körper jetzt leisten kann!

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