Der nächste Tag beginnt mit meiner ersten Raubtiersichtung:
Danach führt der Weg nach kurzem Abstieg ganz uncharakteristisch fast drei Meilen lang durch die Ebene des Shelter Valley. Ich genieße die einfache Wanderung in der Kühle des Morgens – später höre ich von anderen, die hier am Vorabend unterwegs waren, dass die abendliche Hitze fast unerträglich war. Der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht beträgt über 20 Grad – Celsius!
Tags zuvor war mir beim Blick auf die Karte der Schrecken in die Glieder gefahren: bei meiner letzten Wasserstelle war vermerkt, dass dies die letzte Wasserstelle für fast 35 Meilen oder 50 Kilometer war! Zum Glück gibt es Trail Angel, die hier helfen. Die lange Durststrecke wird durch einen täglich aufgefüllten Wasservorrat unter einer Straßenbrücke bei Scissors Crossing unterbrochen. Hier kann sich jeder bedienen – grundsätzlich kostenlos, um eine Spende wird aber diesmal gebeten.
Ebenfalls ab Scissors Crossing haben Trail Angel einen Shuttle-Service ins 12.5 Meilen entfernte Julian eingerichtet. Oben auf dem Bild sieht man Rebecca mit ihrem Wagen; von Professor und Rangel habe ich leider keine Fotos.
Der Zug dieser extrem hiker-freundlichen Kleinstadt ist unwiderstehlich, verheißt sie dich alles, was man in den letzten Tagen entbehren musste: Duschen, Waschmaschinen, vernünftiges Essen, ein Dach über dem Kopf und fließendes Wasser aus der Leitung! Habe ich das Bier schon erwähnt?
Ich kann einen Tag Pause gut gebrauchen. Da in der Stadt kein Zimmer mehr zu haben ist, quartiere ich mich für zwei Nächte in einer Kabine im Wohnmobilpark Stage Coach Trails RV Resort ein. Das liegt nahe bei Scissors Crossing und ist bezahlbar. Dafür ist das Zimmer äußerst spartanisch, die Dusche über den Hof und der Laden mit Restaurant sonntags geschlossen. Sei es drum, Julian ist dank der Trail Angel leicht erreichbar, und ich habe alles,was ich brauche. In der Wohnmobilanlage entsteht dieses schöne Foto mit meinem ersten Saguaro-Kaktus:
Während des Zero Days kämpfe ich ein weiteres Mal mit meiner Ausrüstung. Diesmal ist es mein Satellitenmessenger inReach, der seinen Geist (in Gestalt seiner Batterie) auf Raten aufgibt. Das Gerät hat mir im letzten Jahr vermutlich das Leben gerettet, als es mir einen Notruf ermöglichte, nachdem ich wegen eines Unfalls in der Wildnis nicht mehr laufen konnte. E-Mails an den deutschen Service Provider beruhigen mich teilweise: das Gerät hat noch Garantie, der Fehler ist abgedeckt, lediglich an den Versandkosten des Ersatzgeräts nach Amerika muss ich mich beteiligen. Doch das bedeutet zugleich, entweder noch vier Tage in Julian zu bleiben, bis das Gerät da ist, oder die nächste Etappe ohne die Sicherheit eines Notrufknopfes zurückzulegen. Nach einem Blick auf die Karte entscheide ich mich dafür, weiter zu wandern, die nächste Etappe zu verkürzen und das Ersatzgerät in Paradise Valley Cafe entgegenzunehmen. Hoffentlich geht das gut.