Gregor Dieser Tag bietet eine neue Herausforderung: es geht abwärts. Und zwar fast 2000 Meter, ohne Zwischenanstieg, ohne Schatten, ohne Wasser. Erst ganz unten, bei Meile 205.7, gibt es einen Wasserhahn. Den ganzen Tag über fällt der Blick zurück auf den majestätischen San-Jacinto-Gipfel und voraus auf den schneebedeckten San Gorgonio. Dazwischen liegt das Coachella-Tal, das zum Sankt-Andreas-Graben gehört. Topfeben trennt es mit mehreren Meilen Tiefe das San-Jacinto-Massiv von den San Bernardinos. Durch das Tal führt die vielbefahrenen Autobahn Interstate 10 und eine ebenfalls vielbefahrene Güterzugstrecke. Außerdem steht dort eine der größten Windfarmen der USA mit vielen hundert Windrädern. Das alles ist möglich, weil die pazifische und die nordamerikanische Platte sich hier so sanft berühren, dass es in geschichtlicher Zeit noch nie zu einem größeren Erdbeben gekommen ist. Ganz im Gegensatz zu Los Angeles und San Francisco.
Während des Tages sehe ich immer wieder die viele Meilen langen Züge mit ihren hunderten von Wagen, die nicht zuletzt landwirtschaftliche Produkte aus Kalifornien über die ganzen USA verteilen. Und der heftige Wind, der mich mehrmals fast vom Berg weht, erklärt auch, was die Windfarm hier will.
Auch beeindruckend ist die Abfolge der Vegetationszonen. Gestern, auf über etwa 1800 Metern, dominierten Bäume, vor allem Kiefern, Fichten und Zypressen. Heute, etwas tiefer, sehe ich keine Bäume mehr. Dafür blüht die Wüste zwischen vielleicht 500 und 1500 Höhenmetern in den schönsten Farben – siehe unten!
Als ich am Abend an der Wasserstelle ankomme, bin ich ziemlich erschöpft. Aber der heutige Härtetest für die Knie ist genauso bestanden wie die gestrige Schneeprüfung: San Jacinto ist überwunden!
Kurz nach mir kommen die kanadischen Schwestern aus den Bergen. Gemeinsam entscheiden wir uns, eine Nacht im Hotel zu verbringen, und bestellen uns per Lyft ein Auto. Da wir in der Rush Hour unterwegs sind, braucht die an und für sich kurze Fahrt in die nahe Stadt Banning fast eine Stunde. Aber es warten eine warme Dusche, eine Waschmaschine, warmes Essen und ein richtiges Bett, da kommt es auf eine Stunde auch nicht mehr an!
