Am Morgen schaue ich mich auf dem Upper Shake Campground um. Das Anschlagbrett ist den Einschusslöchern nach zu urteilen schon für viele Anschläge verwendet worden. Dankenswerterweise hatte das sehr positive Auswirkungen auf die Höhe der Campinggebühren. Allerdings hätte ich mir diese durch die Einschusslöcher in der Gebührendose auch zurückholen können … Man beachte auch den im Bild linken Pfosten. Der ist nicht vom Gras verdeckt, der ist einfach weg. Kurz: ich bin in einer Geisterstadt von einem Campingplatz gelandet! Hier hat schon seit Jahren kein Offizieller mehr hingeschaut. Der Baum, der quer über die Zufahrtstraße gefallen ist, ist schon halb verwest, aus dem Asphalt sprießt das Gras, und die Picknicktische haben wenigstens einen Waldbrand überstanden:
Man könnte auch hier sofort Szenen für einen apokalyptischen Film drehen.
Ich habe eine ruhige, wenn auch etwas unheimliche Nacht verbracht und mache mich nach der Fotosession auf den Weg zurück zum PCT. Dabei begegnet mir eine ganz junge Klapperschlange:
Leider ist der Weg zurück in ähnlich abenteuerlichem Zustand wie der Campingplatz (der Hinweg am Vorabend war sehr gut in Ordnung). Auf dem folgenden Suchbild gilt es, den Weg zu finden:
Links im Bild ist der ausgetrocknete Bach, an dem es entlang geht. Rechts, bei meiner orangen Jacke, sieht man die Zementbalken der ehemaligen Wegbefestigung. Dort sollte es entlang gehen … Auf den letzten paar hundert Metern verliere ich den Weg. Das Ende ist eine sehr unangenehme Kraxelei an einem sehr steilen Hang. Die Bäume, an denen ich mich festhalten möchte, sind durch das Feuer in Mitleidenschaft gezogen worden. Einige halten, andere brechen ab … egal, eine halbe Stunde später habe ich den PCT wieder. Und da gibt es bald den nächsten Meilenstein zu feiern: 500 Meilen oder 800 Kilometer sind geschafft!
Der weitere Weg führt wieder durch schönste Blumenfelder. Ich wundere mich weiter, aber der Groschen fällt immer noch nicht.
Bevor der Tag zu Ende geht, gibt es noch einmal eine Fernsicht auf die Mojave-Wüste. Neben den Windrädern kann man diesmal auch Solarfelder erkennen:
Schon bald geht es durch diese Wüste hindurch!
Gregor, soviele Blumen um Dich herum, welch eine Fülle mitten in der Wüste! Was meinst Du mit: Und der Groschen fällt nicht?
Würde mich doch mal interessieren was Du nach 500 Meilen nicht mehr mit Dir trägst?
Da du noch mitten auf dem Weg bist, hier mal eine Frage die mich auf meinem Jakobsweg bewegt hat. Du wirst ein anderer sein, als der Du warst, als Du losgegangen bist. Was lässt Du Schritt für Schritt zurück und wer/was in Dir wird immer präsenter mit jedem Schritt den Du gehst?
Freue mich auf weitere Eindrücke und Erkenntnisse… buen camino
Lieber Martin,
vielen Dank für deinen Kommentar! Eine ganz ähnliche Frage hat mir Trail Angel Mary bei Meile 145 gestellt. Sie meinte dann, dass es auf dem PCT schwierig ist, zu sich selbst zu kommen, weil die Tagesetappen so lang sind. Inzwischen kann ich das aus vollem Herzen bestätigen. Ich brauche mindestens 9-11 Stunden reine Wanderzeit, um von Wasserstelle zu Wasserstelle zu kommen. Deshalb dauert es vielleicht etwas länger als du es beim Camino erlebt hast, bis dass neue Erfahrungen und Erkenntnisse spruchreif sind. Und nicht alles, was ich hier lerne, gehört in einen öffentlichen Blog. Aber ich nehme deine Anregung gerne an, hier vielleicht zusätzlich zum Tagebuch etwas mehr Reflexion aufzuschreiben!
Gregor